Mörderisch verliebt: Roman (German Edition)
Teufel war ich bloß nicht auf die Terrasse hinausgegangen? Wusste er vielleicht, dass er nicht allein war? Hatte er beobachtet, wie ich hereingekommen war?
Nein. Vollkommen unmöglich.
Dafür gab es bestimmt eine total einfache Erklärung. Irgendein unglückliches Missverständnis.
Der Kerl war wahrscheinlich ein Freund von Solberg. Und die Pistole nur eine Attrappe.
Na sicher! Alles klar, Chrissy! Der PC-Gott hatte einen ein Meter neunzig großen Freund mit Schultern wie ein Football-Spieler, der ab und an mitten in der Nacht in Solbergs Haus kam, eine gigantische Wasserpistole bei sich trug und die Zimmer durchsuchte, vermutlich aus Langeweile.
In welchen Mist war ich da bloß hineingeraten?
Ich betete, ernsthaft und ehrfürchtig, und versprach dem lieben Gott, nach jedem Essen Zahnseide zu benutzen und die Zigaretten wegzuschmeißen, die ich in meiner Handtasche versteckt hatte …
Das Pfefferspray! Hatte ich die Flasche noch in meiner Tasche?
Sosehr ich an die Kraft von Gebeten glaubte, war ich dennoch der Meinung, dass es stets auch ein direkteres Mittel gab, um einzugreifen. Ich presste meine Handtasche fest an die Brust.
Meine Hände zitterten. Lippenbalsam, Scheckheft, Notizblock, ein halb aufgegessenes Snickers. Nichts. Wenn ich ihn nicht gerade mit einem Scheck bestechen und ihm einen Kuli ins Auge piksen wollte, sah’s ziemlich duster aus.
Mein Handy!
Es blinzelte mich vom Boden der Handtasche aus an. Gedanken und mögliche Ideen schossen mir durch den Kopf.
Ich könnte es ihm an den Kopf knallen. Oder besser noch … ich könnte damit die Polizei verständigen.
Aber er würde mich garantiert dabei hören, mich an den Haaren aus dem Schrank ziehen – ich hatte sie gerade gefärbt, ein sattes Mahagoni, das meine Augen leuchten ließ – und …
Er murmelte irgendetwas. Ich schluckte schwer, zermarterte mir das Hirn und versuchte, mir einen Plan B auszudenken.
Ich hielt das Handy immer noch in der Hand. Und da kam mir die Idee. Ich könnte Solbergs Festnetznummer anrufen. Der haarige Pistolentyp war doch bestimmt so neugierig, zu erfahren, wer Solberg um 3 Uhr 07 morgens anrief. Er würde die Treppe heruntereilen und den Anrufbeantworter im Büro abhören!
Und ich würde sterben, wenn ich falsch liegen sollte. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich klappte das Handy auf. Was, wenn ich keinen Empfang hatte? Manchmal kam das vor. Die Tasten leuchteten bläulich. Erschrocken zuckte ich zusammen – wahrscheinlich leuchteten die Zahlen durch die offene Schranktür wie ein neu entdeckter Stern. Vielleicht könnte ich ihn damit blenden?
Ich hörte seine Schritte auf Fliesenboden. Er war also am Badezimmer angekommen. Ich stellte mir vor, wie er dort einen Blick hineinwarf, und betete, dass er tatsächlich reingehen würde. Duschen wäre nett. Vielleicht sogar ein Bad im Whirlpool. Aber ich hörte keine Schritte mehr auf dem gefliesten Badezimmerboden. Und es fielen auch keine Kleidungsstücke auf den geheizten Boden. Keine Geräusche von laufendem Wasser oder Wasserspritzern.
Tatsächlich konnte ich beinahe hören, wie er auf den Kleiderschrank aufmerksam wurde. Jetzt oder nie. Ich hielt das Handy so verkrampft fest, dass meine Knöchel schmerzten.
Die letzte Nummer, die ich angerufen hatte, war Solbergs gewesen. Ich legte den Finger auf die »Wählen«-Taste und erstarrte. Piepte mein Handy, wenn es wählte? Hatte ich auch ganz sicher keine andere Nummer mehr eingetippt, seitdem ich Solberg angerufen hatte?
Ich schob das Handy in meine Handtasche zurück und beugte mich darüber, um die Tastentöne zu dämpfen. Ich drückte auf »Wählen«, starrte durch den Türspalt und hielt den Atem an.
Ich konnte aber nur eine Ecke des gigantischen Bettes und ein Stück der eierschalenfarbenen Tapete erkennen.
Dafür hörte ich etwas, das ich jedoch nicht genau definieren konnte. Hatte er gesprochen? Fluchte er? Hatte er mich etwa gehört? War er …?
Das Telefon im Büro schrillte. Ich glaube, ich habe geschrien, aber vielleicht hatte ich auch eine solche Panik, dass ich keinen Mucks von mir geben konnte. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass ich immer noch lebte und mir mit der Hand den Mund zuhielt.
Eine Ewigkeit verging. Dann hörte ich endlich, wie er sich umdrehte. Ich presste mich an die Rückwand, aber er griff nicht in den Schrank hinein, um mich zu packen und an den Haaren herauszuzerren. Stattdessen verließ er das Schlafzimmer und rannte die Treppe hinunter. Volle zwanzig
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