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Mörderische Aussichten

Mörderische Aussichten

Titel: Mörderische Aussichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A George
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zusammenfahren. »Schwesterherz?«, sagte ich.
    »Nein, Mama, ich bin’s. Pass auf, was ich dir zu erzählen habe.«
    »Ich muss auflegen, Haley. Irgendetwas Schreckliches ist mit Sunshine passiert.«
    »Sunshine? Was ist denn geschehen?«
    »Das weiß niemand, mein Schatz. Ein Mann wurde in ihrem Wohnwagen ermordet, und Sunshine ist verschwunden. Aber deine Tante
     hat mir die Nachricht hinterlassen, dass man ihr blutiges Nachthemd gefunden hat.«
    »Mein Gott, Mama!«
    »Ich ruf dich zurück, sobald ich mit meiner Schwester gesprochen habe.« Ich legte auf und wartete auf den Anruf von Schwesterherz.
     Ich war dankbar, dass nicht ich die Nachricht Ray übermitteln musste. Wie lange er wohl brauchen würde, um nach Hause zu kommen?
    Das Telefon klingelte nahezu im selben Augenblick. »Ich kann nur ganz kurz reden«, sagte Mary Alice. »Ich warte darauf, dass
     Ray anruft.«
    »Wer hat dir denn das mit dem blutigen Nachthemd mitgeteilt?«
    »Meemaw, was mich überrascht hat. Es sieht nicht gutaus, Maus. Sie sagte mir, dass der Sheriff den Wald rund um die Wohnwagen absuchen lassen würde. Klingt, als suchten sie nach
     einer Leiche, oder?«
    »Was können wir tun?«
    »Nichts, soweit ich im Moment wüsste. Ich rufe dich an, wenn ich irgendetwas höre.«
    Ich legte auf und zwang mich dazu, mich zu entspannen. Ich versuchte die Augen zu schließen und mein Mantra zu sagen. Ich
     probierte es mit dem alten Trick, mir einen Penny auf der Stirn vorzustellen. Aber es funktionierte nicht. Bilder von Häuptling
     Josephs mit dem Schlachtmesser aufgespießtem Leichnam drängten sich immer wieder vor mein inneres Auge.
    »
...
dieser Mexikaner, der am Wochenende unten an den Crystal Caverns den Indianerhäuptling mimt
«
, konnte ich Jed Reuses Stimme hören.
»Er ist kein richtiger Indianer. Er zieht sich nur so an und lässt sich mit Kindern fotografieren.«
    Lässt sich mit Kindern fotografieren. War das möglich? Ich ging zum Schrank und holte unser jüngstes Familienalbum hervor,
     in dem sich die Fotos der letzten fünf Jahre oder so befanden. Fred und ich sind beide schrecklich, wenn es ums Fotografieren
     geht oder allein darum, auch nur an unsere Kamera zu denken. Und wenn wir fotografieren, dann vergessen wir garantiert, den
     Film entwickeln zu lassen. Wir schleichen dann irgendwann mit so vielen Filmrollen in den Drogeriemarkt, dass wir das Gefühl
     haben, uns dort entschuldigen zu müssen. Die Bilder, die es schaffen zu überleben, legen wir mitsamt dem Umschlag in die Alben
     und schwören uns, sie eines Tages zu sortieren und einzukleben. Die einzige Person in der Familie, der das etwas ausmacht,
     ist Lisa, meine Schwiegertochter. Ihre Fotoalben sind perfekt.
    Sie hätte also die Bilder, die ich nur mit Glück fand, unmittelbar zur Hand gehabt – die Fotos ihrer beiden Söhne, Charlie
     und Sam, die vor ungefähr fünf Jahren an den Crystal Caverns aufgenommen worden waren. Damals etwa sechs und acht, posierten
     sie stolz neben einem Indianerhäuptling. Es gab noch zwei weitere Fotografien, auf denen die Kinder jeweils einzeln vor dem
     Häuptling standen. Charlie hielt auf seinem Bild eine Trommel in der Hand, Sam einen Tomahawk. Ich erinnerte mich daran, dass
     diese Souvenirs ein Vermögen gekostet hatten.
    Ich saß auf dem Sofa und studierte die Bilder. War das Häuptling Joseph? Ich hatte keinen genauen Blick auf das Gesicht des
     Mannes am Boden von Meemaws Wohnwagen erhaschen können. Um ehrlich zu sein, hatte ich es so weit wie möglich vermieden, ihn
     anzusehen. Aber er war schmal und hatte einen dunklen Teint wie dieser Mann, der hier in die Kamera stierte. Sein ein klein
     wenig zu weit nach hinten geschobener Federschmuck verlieh ihm etwas leicht Großspuriges, was mir nicht aufgefallen war, als
     ich die Bilder zum ersten Mal angeschaut hatte.
»Klar« ,
schien er zu sagen,
»ich mime hier nur den Häuptling. Aber ihr Idioten zahlt mir zehn Dollar dafür.«
    Ich legte die Fotografien auf den Couchtisch. Ich wollte nicht, dass die Leiche, die ich heute gesehen hatte, dieser Mann
     war, der da mit meinen Enkeln posiert hatte. Vielleicht bin ich deshalb so schrecklich, was Fotos betrifft. Wenn man sie später
     noch einmal anschaut, weiß man meistens zu viel über den Ausgang der Geschichte.
    Ich legte das Album zurück in den Schrank und versuchte Haley anzurufen. Sie hatte aufgeregt geklungen, und ich hatte sie
     einfach abgewürgt. Die Leitung warjedoch besetzt. Debbie konnte ich jetzt

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