Moerderische Familienbande
rausgerissen?“, fragte ich.
„Irgendein Hurensohn hat sie rausgerissen! Brenda!“
Eine Stimme aus den Bibliotheksregalen antwortete: „Was? Ich wische gerade Staub.“
„Komm her.“
Eine große, dünne Frau mit einem roten Staubwedel in der Hand tauchte zwischen den beiden Cängen auf.
„Schau dir das an“, sagte Aileen und deutete auf das Buch. „Sie haben es wieder getan.“
Brenda stieß zu uns, blickte auf die ausgefranste Kante und schüttelte den Kopf. „Computer“, sagte sie.
„Tja, du kennst die Antwort, Brenda“, sagte Aileen. „Wie viel willst du spenden?“
„Welches Gesetz brechen sie“, fragte ich, „wenn sie diese Seiten rausreißen?“
„Sämtliche Gesetze der Welt. Das bringt mich höllisch auf die Palme.“
„Mich auch“, sagte Brenda.
„Nun“, sagte ich und steckte mein Notizbuch in meine Handtasche zurück, „ich denke, ich versuche es mal in der Unibibliothek. Clovis war ein Baptistenpfarrer.“
„Wir werden diese Sachen unter Verschluss halten müssen“, hörte ich im Hinausgehen Aileen zu Brenda sagen. Ich fand, es würde fürs Erste schon reichen, wenn sie sie nicht tagelang einfach so herumliegen ließen.
Auf dem Weg zum Aufzug kam ich an den Damentoiletten vorbei und beschloss, dass ich mich wohler fühlen würde, wenn ich die Örtlichkeiten nutzte. Als ich die Tür öffnete, fühlte ich mich in den Lehrer-Aufenthaltsraum der Robert Alexander Highschool versetzt. Das Mobiliar bestand aus ein paar Stühlen und einem alten Sofa, das von irgendjemandem aus einem Keller gerettet worden war. In diesem Fall passten sie sogar zusammen - Rattan mit verblassten Blümchenkissen. Ein Couchtisch mit einer gesprungenen Glasplatte und ein hübscher integrierter Schminktisch komplettierten das Mobiliar. Im Raum dahinter waren vier Toilettenkabinen und Waschbecken. Das Gerichtsgebäude ist rauchfreie Zone, was sich aber noch nicht bis in die Damentoilette im zehnten Stock herumgesprochen hatte. Rauch hing schwer in der Luft, trotz des weit in den eindrucksvollen Frühlingstag geöffneten Fensters.
Ich trocknete meine Hände, ging ans Fenster und musste zweimal hinschauen. Das war der Ort, von dem Meg gesprungen war. Oder hinuntergestoßen wurde. Ich blickte ein weiteres Mal hinunter. Der Blick machte mich ganz schwindlig, und ich trat einen Schritt zurück, aber unter mir war exakt die Stelle, an der ihr Körper gelandet war. Ich blickte mich in dem Raum um, als erwartete ich, irgendwelche Antworten zu finden.
Die Tür wurde aufgestoßen, und zwei junge Frauen kamen lachend herein.
„Hi“, sagten beide zu mir, während sie ihre Zigaretten herauszogen und sich in die Sessel fallen ließen.
15
Ich starb vor Hunger. Ich brauchte dringend fettiges Fast-food. Ich fuhr in den Creen Springs McDonald's Drive-in und holte mir einen Big Mac und einen Schokoladenmilkshake. Ich nahm sie mit nach Hause, zog meine Schuhe aus, setzte mich zum Essen hin und sah mir dazu >Jeopardy< an. Ich wusste die Antwort auf die letzte Frage, und zusammen mit dem Fett, das mehr war, als mein Verdauungssystem normalerweise in einer ganzen Woche zu verarbeiten hatte, hob das meine Stimmung enorm. Ebenso trug dazu die Nachricht von Debbie auf meinem Anrufbeantworter bei, dass sie wieder zu Hause und sehr glücklich seien und ich sie anrufen sollte.
„Das waren die schönsten Flitterwochen der Welt“, sprudelte Debbie heraus. Es sei der gemütlichste Gasthof gewesen, den man sich vorstellen konnte, in ihrem Zimmer hätten sie einen wundervollen Kamin gehabt, in dem sie allabendlich Feuer gemacht hätten, und einen wundervollen Blick vom Schaukelstuhl auf dem Balkon über die Berge. Und auch der Ehemann, der dies mit ihr geteilt habe, sei wundervoll gewesen.
„Ich freue mich, dass du so eine wundervolle Zeit hattest“, sagte ich.
„Danke, Tante Pat“, sagte Debbie ganz im Ernst — ein sicheres Zeichen dafür, wie aufgeregt sie war. „Ich habe mit Haley gesprochen und weiß daher von ihr und Philip. Ich finde das wundervoll.“
„Ja, wundervoll“, stimmte ich ihr zu. „Und deine Mutter hat einen Heiratsantrag bekommen.“
„Das habe ich gehört. Ich finde es -“ Debbie machte eine Pause.
„Wundervoll?“
„Nun ja, klar. Aber natürlich hat er schon einige Jährchen auf dem Buckel, nicht wahr?“
„Schätzchen, du kennst doch dieses Spiel bei >Der Preis ist heiß-, bei dem sie diese Jodelmusik spielen, während sich der kleine Bergsteiger den Berg
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