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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Anschuldigungen und Diffamierungen ausgesetzt zu sein! Die Unterstellungen dieser Frau sind absolut infam. Gefoltert wird in Guantánamo. Nicht bei uns.«
    Elena stand auf und wollte offensichtlich etwas erwidern. Dann fing sie meinen Blick auf. Ich schüttelte stumm den Kopf. Sie zuckte mit den Achseln, drehte sich um und ging hinaus. Anna und ich folgten ihr.

Neunzehn
    W
    as, verdammt noch mal, sollte das?«, fragte Anna, als wir zu dritt auf die Straße traten. Ihre Stimme vibrierte vor mühsam unterdrückter Wut.
    Elena war noch blasser als sonst und machte einen überraschten und verstörten Eindruck. Aber da war noch etwas anderes in ihren Augen, etwas Glitzerndes, Übermütiges und ganz und gar Unnachgiebiges, das den reuevollen Gesichtsausdruck Lügen strafte. Sie holte tief Luft und ließ dann den Atem langsam und geräuschvoll entweichen.
    »Ich glaube, so schnell bin ich noch nie irgendwo rausgeflogen«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln, »wenn man von meiner Abiturfeier in diesem Nachtklub in Riga einmal absieht.«
    Anna schaute verdutzt und schien einen Augenblick unschlüssig, ob sie lachen sollte oder nicht, aber sie war immer noch stinksauer.
    »Ich wollte da drinnen dabei sein, verstehst du das nicht? Ich wollte sehen, was passiert, und wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, diesen Irrsinn zu verhindern. Meiners hat sich für uns eingesetzt, und was machst du? Du legst dich mit dem BND an, beschimpfst einen russischen Diplomaten als Folterknecht und beförderst uns mit deiner Charmeoffensive im Expresstempo vor die Tür. Findest du das komisch?«
    »Du meinst, sie hätte sich bei dir etwas Sinn für Diplomatie abschauen sollen?«, fragte ich.
    Anna stutzte und blinzelte überrascht. Dann zog sie resigniert die Schultern hoch.
    »Ja, vielleicht. Zumindest kann ich gelegentlich mal das Maul halten, wenn es darauf ankommt. Das ist der Anfang aller Diplomatie! Einfach mal das Maul halten!«
    Elena schüttelte den Kopf.
    »Kommt«, sagte sie, »lasst uns ein paar Schritte gehen.«
    Sie hängte sich bei Anna und mir ein, und wir schlenderten zum alten Hafen. Nach wenigen Minuten erreichten wir das Museumsfeuerschiff, das unmittelbar neben der Alten Liebe vor Anker liegt.
    »Es tut mir leid, dass ihr meinetwegen den Raum verlassen musstet, aber was ich gesagt habe, tut mir nicht leid. Ich konnte mich nicht beherrschen, es war einfach unmöglich. Könnt ihr euch vorstellen, wie das ist, wenn man solche Leute wie Grygoriew und ihre Lügen jahrelang jeden Tag im Fernsehen sieht, und auf einmal sitzt so jemand leibhaftig vor einem? Im Wasser- und Schifffahrtsamt einer norddeutschen Kleinstadt? Unfassbar! Und er ist gar kein Monster, sondern hat diesen Doktor-Schiwago-Charme, auf den man im Westen so abfährt. Mann von Welt mit russischer Seele. Und du weißt genau, dass er lügt. Was habt ihr denn gedacht, als Grygoriew gesagt hat, der Verdächtige werde intensiv verhört? Was meint ihr wohl, was Durchleuchtung seines persönlichen Umfeldes bedeutet? Das heißt im Klartext, dass der FSB in diesem Augenblick jede arme Seele, die Jedmajew jemals von hinten gesehen hat, durch die Mangel dreht. Vielleicht müssen sie sich in Moskau an ein paar Spielregeln halten, in Grosny ganz sicher nicht. Wisst ihr, was das Schlimmste ist an Guantánamo? Dass Typen wie Grygoriew mit dem Finger darauf zeigen können und dabei grinsen!«
    »Okay! Geschenkt!«, sagte Anna. »Ich habe es verstanden. Zum Thema durchgebrannte Sicherungen könnte ich auch einiges beitragen. Aber die Verhältnisse in Russland haben sich doch gebessert, oder nicht?«
    »Das stimmt«, sagte Elena, »allerdings nicht so grundlegend, wie man es im Westen gerne glauben will. Nimm nur einmal die Medien. Putin hat es in seiner Amtszeit geschafft, die gesamte Presse gleichzuschalten. Offiziell gibt es keine Zensur, trotzdem ist der Druck der Regierung so stark, dass die Journalisten schon von sich aus keine Themen recherchieren, die dem Kreml nicht passen. Nach meiner Rechnung sind in Russland seit dem Jahr 2000 mehr als dreiundzwanzig Journalisten ermordet worden. Eine wirklich zuverlässige Statistik gib es nicht. Anna Politkowskaja von der Nowaja Gaseta war bereits das dritte Redaktionsmitglied dieser Zeitung, das eines unnatürlichen Todes starb. Jobaniwrot!«
    »Wetten, dass das so viel wie verdammte Scheiße heißt?«, fragte Anna.
    Elena nickte.
    »So in etwa, vielleicht eine Spur schmutziger. Russische Schimpfwörter und Flüche können je nach

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