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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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und Mörder im Rollstuhl könnte dich angegriffen haben, konnten wir auch schlecht erzählen. Es ging eine Weile hin und her, Anna ist ein bisschen laut geworden, und gerade in dem Augenblick, als sie uns rauswerfen wollten, ist dieser Hauptkommissar Winter dazugekommen. Kaum hatte er gehört, dass es sich bei dem Vermissten um den ominösen Dr. Nyström handelte, ist er hellwach geworden.«
    »Ja«, sagte Anna, »und jetzt ist er so was von wach, dass wir ihn dir nur mit Hilfe der Ärzte vom Leib halten konnten. Du warst offiziell die ganze Zeit nicht vernehmungsfähig, doch Winter hätte dich am liebsten höchstpersönlich aus dem Koma gerüttelt.«
    »Wann wird er hier auftauchen?«
    »Vielleicht noch heute Abend. Spätestens morgen!«
    »Gut. Mir wird schon etwas einfallen. Und jetzt will ich wissen, was in der Mecklenburger Bucht passiert ist?«
    Meiners’ Gesichtsausdruck verfinsterte sich, und auch Anna und Elena starrten mich betroffen und unbehaglich an. Hatten sie sich abgesprochen, mich mit schlechten Nachrichten zu verschonen? Und gehofft, dass ich über meiner privaten Katastrophe den Grund vergessen hatte, warum wir überhaupt nach Cuxhaven gekommen waren? Ich sah in ihre Gesichter und wusste, dass alles umsonst gewesen war. Meiners zog sich einen Stuhl heran, nahm einen Schluck aus der Mineralwasserflasche, die auf meinem Nachttisch stand, und schien nicht zu wissen, wie er beginnen sollte. Anna und Elena hatten offenbar beschlossen, ihm das Reden zu überlassen, und ich wusste, dass es dieses Mal keine ironischen Kommentare von Annas Seite geben würde.
    »Es war die Ulan.«
    Gütiger Himmel! Jewgeni. Mein Blick huschte zu Elena, deren Gesicht einen ruhigen und beherrschten Ausdruck angenommen hatte. Sie sah mich einige Sekunden an und schüttelte langsam den Kopf. Ein zaghaftes, aber unendlich erleichtertes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
    »Er war nicht an Bord.«
    »Aber, du hast doch …«
    Elenas Lächeln wandelte sich in Zeitlupe zu einem spöttischem Grinsen, gleichzeitig begann sie zu weinen.
    »Sein Schwanz hat ihn gerettet. Ist das nicht wunderbar? Ausgerechnet der Körperteil, der ihn in den letzten fünfzehn Jahren ununterbrochen in Schwierigkeiten gebracht hat.«
    »Ich versteh kein Wort.«
    Elena liefen jetzt die Tränen über die Wangen, aber das Grinsen blieb.
    »Er hat das Schiff verpasst, verstehst du? Wegen einer Hafennutte in Primorsk! Die Ulan ist ohne ihn ausgelaufen. Die warten nicht auf einen Zweiten Offizier. In den frühen Morgenstunden des 12. September habe ich erfahren, welches Schiff es war, und das hat mir den Rest gegeben. Jewgeni und du, in einer Nacht, ich war völlig durchgedreht. Und plötzlich, um acht Uhr morgens, ruft er mich an. Es war unbeschreiblich.«
    »Wann lerne ich ihn kennen?«
    »Bald«, sagte Elena mit einem tiefen Seufzer und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Mein kleiner Bruder ist ein fröhliches, trinkfestes, hormongesteuertes Arschloch, aber ich glaube, er wird dir gefallen!«
    »Ja«, sagte Meiners trocken, »und damit sind die guten Neuigkeiten auch schon abgehakt. Die Ulan. Bringen wir es hinter uns. VLCC-Klasse, zweihunderttausend Bruttoregistertonnen. Sie explodierte ungefähr zu dem Zeitpunkt, als sie dich aus dem Watt geholt haben. Die Bombe muss an Bord gewesen sein und wurde entweder mit einem Zeitzünder oder von einem Selbstmordattentäter direkt aktiviert. Die Experten vom BKA gehen von Letzterem aus. Nach Angaben der Reederei waren an Bord der Ulan achtundzwanzig Besatzungsmitglieder, von denen keines die Explosion überlebt hat. Aber das ist längst noch nicht alles. Eine der zahlreichen Ostseefähren, die dauernd im rechten Winkel zwischen den Frachtschiffen hindurchschlüpfen, wurde von brennenden Wrackteilen getroffen. Bei dem daraufhin an Bord ausbrechenden Feuer kamen nach ersten Angaben der Behörden über einhundertsechzig Personen ums Leben, unter ihnen viele Frauen und Kinder.«
    Meiners’ brüchige Stimme versagte, und er schien einen staubigen Pfropfen im Hals zu haben, den er auch mit einem neuen Schluck aus der Mineralwasserflasche nicht hinunter bekam. Anna war hinter ihn getreten und hatte ihre Hände auf seine Schultern gelegt. Ihr junges, eigensinniges Gesicht trug einen maskenhaften Ausdruck, den ich noch nie bei ihr gesehen hatte.
    »Es geht noch weiter«, sagte sie.
    »Ja«, bestätigte Meiners, »es geht noch viel weiter.« Seine Stimme klang jetzt fester. Annas körperliche Nähe schien ihm

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