Mörderische Harzreise (German Edition)
gemacht, ohne teures Fleisch für Experimente zu vergeuden. Wer soll denn diesen Fraß kaufen? Sorg lieber dafür, dass alles blitzblank ist. Da stehen noch Gefäße, die geschrubbt werden müssen. Ich hätte dein Vater sein sollen! Ich hätte dir schon die Flötentöne beigebracht. Aber, wer weiß, von welcher Nutte du eigentlich abstammst. Dass mein Sohn so einen wie dich adoptiert hat, war der größte Fehler. Du bist nur hier, weil sein Weib, diese Selbstmörderin, unfruchtbar war.«
Jetzt setzte sich der alte Mann auf einen Hocker, während Stefan innerlich vor Wut kochte. Als der Großvater dann auch noch anfing zu singen „Wer nur den lieben langen Tag ohne Plag, ohne Arbeit vertändelt, wer das mag, der gehört nicht zu uns…“ , da brannte die letzte Sicherung bei ihm durch. Stefan nahm einen großen Klumpen Hackfleisch und warf ihn dem Großvater ins Gesicht. Seine altershohe Singstimme erlosch abrupt und er schaute Stefan an wie ein Weltwunder. Der nahm das schärfste Messer und ging auf den Alten zu: »Los, alter Mann, sing weiter.«
Er war nicht in der Lage, zu antworten. Da fing Stefan an zu singen: »Wer nur den lieben langen Tag…« –
Und zack, versetzte er dem Alten einen Schnitt in die linke Halshälfte. Zwei ungläubige Augen starrten Stefan an.
»…ohne Plag, ohne Arbeit vertändelt…«
Und zack – der zweite Schnitt traf die rechte Halshälfte. Nun war Todesangst in den Augen des Großvaters zu sehen.
»…wer das mag, der gehört nicht zu uns.«
Zack – der letzte Stich ging in die Kehle.
Braunlage
Es lag zwar kein Testament vor, aber Beate erinnerte sich an den Wunsch ihrer Mutter, nach dem Tod verbrannt zu werden. Ihre Asche sollte von einem Berg aus in alle Winde verstreut werden. Beate hatte Hans-Ulrich gebeten, alles Erforderliche zu veranlassen. Sie selbst war angesichts des plötzlichen Unglücks, das über sie hereingebrochen war, nicht in der Lage dazu. Also ging er zu einem Beerdigungsunternehmen und wurde belehrt, dass das Verstreuen von Asche in Deutschland nach der Bestattungsordnung nicht möglich sei. Aber man könne die Verblichene ja in der Schweiz kremieren und die Asche dort verstreuen. Nach den dortigen Bestattungsvorschriften sei dies erlaubt. Mit dieser Auskunft brauchte er Beate gar nicht zu kommen. Sie würde ihre Mutter nicht in der Schweiz der Ewigkeit übergeben. Elvira mochte die Schweiz nicht. Sie mochte kleine, in eine bewaldete Landschaft eingebettete Berge, wie es sie zum Beispiel im Harz gibt. Eigentlich hatte sich Beate schon auf den Achtermann versteift, der ja ganz in der Nähe von Braunlage liegt. Pragmatisch, wie Hans-Ulrich nun mal war, beauftragte er den Bestatter, die Verblichene kremieren zu lassen und die körperlichen Überreste anonym zu bestatten. Er würde einfach eine Urne kaufen und etwas Asche von einem der nahegelegenen Grillplätze hineintun, um es seiner Frau recht zu machen. Dann würden sie bei schönem Wetter, es konnte ruhig etwas windig sein, den Achtermann besteigen und die Asche verstreuen. Beate wäre zufrieden, den letzten Wunsch ihrer Mutter erfüllt zu haben. Und er hätte seine Ruhe.
Heute nun hatte der Bestatter angerufen und gesagt, dass alles erledigt sei. Also fuhr Hans-Ulrich zu ihm, beglich auch gleich die Rechnung und kaufte eine schöne Urne. Als der Bestatter, ein sehr freundlicher Mann von Mitte fünfzig, fragte, was er denn mit der Urne wolle, antwortete Hans-Ulrich: »Die ist für mich. Ich werde sie mir auf den Kaminsims stellen als ständige Mahnung, dass das Leben endlich ist. Außerdem ist es doch beruhigend zu wissen, wo man mal landet.«
»Das ist eine interessante Sichtweise«, meinte der Bestatter. »Sie sind wirklich der erste Kunde mit diesem Ansinnen. Aber es könnte sein, dass das Zukunft hat. Ich danke Ihnen jedenfalls für diese neue Geschäftsidee.«
Auf dem Rückweg machte Hans-Ulrich einen kleinen Umweg. Auf einem schön gelegenen Freizeitareal entnahm er einem der für die Öffentlichkeit aufgestellten Holzkohlengrills etwas Asche und füllte sie in die Urne. In dem Moment, als er gerade in die Einfahrt von Ferdinands Haus einbog, kamen Beate und Alfonso zur Haustür heraus. Hans-Ulrich schritt ehrfurchtsvoll, die Urne vor sich hertragend, auf die beiden zu und sagte:
»Hier bringe ich euch Elvira.«
Beate kamen die Tränen. Sie berührte die Urne, während Alfonso den Arm um ihre Schultern legte.
»Ach, und wie schön diese Urne ist.«
»Ja«, entgegnete Hans-Ulrich.
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