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Mörderische Harzreise (German Edition)

Mörderische Harzreise (German Edition)

Titel: Mörderische Harzreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Exner
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Herzanfall erlitten hatte und dann ertrunken war. Wahrscheinlich hätte sie diesen Anfall auch außerhalb des Wassers gehabt. Und mit großer Wahrscheinlichkeit wäre sie auch daran gestorben.
    Als Ferdinand am Telefon das Ergebnis der Obduktion mit Lilly besprach, meinte sie: »Damit dürfte sich die Sache mit dem Bild wohl erledigt haben. Wann immer eine Veränderung an dem Bild festzustellen war, ist jemand aus dem Haus gestorben.«
    »Ja, Lilly, wenn man daran glaubt, dann ist das wohl so. Ich hoffe nur, dass wir jetzt erst mal wieder für viele Jahre Ruhe haben werden. Und ich bin gespannt, ob sich das Bild in seinen Originalzustand zurückverwandelt. Ich meine, ob die Frau in Weiß irgendwann wieder auf dem Balkon steht.«A

Duderstadt

     
    1975 war das Jahr, in dem die Volljährigkeit von einundzwanzig auf achtzehn Jahre heruntergesetzt wurde. Als Stefan in diesem Jahr seinen achtzehnten Geburtstag feierte, wurde er also volljährig. Außerdem bestand er seine Gesellenprüfung. Und sein Vater spendierte ihm den Führerschein. Dann wurde er zur Bundeswehr eingezogen. Außerdem verliebte er sich. Das war ein ereignisreiches Jahr für Stefan. Charakterlich und emotional hatten die letzten Jahre ihn gefestigt. Den Großvater, der trotz seines hohen Alters von achtundachtzig Jahren herumlief wie eh und je und seine bösartigen Bemerkungen anbrachte, wo er konnte, beachtete er kaum. Wenn die drei Männer zusammen am Esstisch saßen, sprach Stefan kein Wort mit dem Alten. Wenn der ihn ansprach, antwortete Stefan mit Schulterzucken, Nicken oder Kopfschütteln. Wenn Stefan sich mit seinem Vater unterhielt und der Alte sich einmischte, tat er so als sei er Luft. Wenn er ihn etwas fragte, bestand die Antwort aus ja, nein, hm, mhm und dergleichen. Der Alte hasste das. Aber es war ihm nicht möglich, etwas daran zu ändern.
    Im folgenden Jahr, exakt nach fünfzehn Monaten, hatte er seinen Wehrdienst abgeleistet und kehrte zurück in den väterlichen Betrieb. Er freute sich darauf. Das Verhältnis zu seinem Vater war seit dem Tod der Mutter zunehmend besser geworden. Da Hans nicht mehr der Jüngste war, hatten sie beschlossen, dass Stefan sich so schnell wie möglich auf die Meisterprüfung vorbereiten solle. Danach würde Hans sich zur Ruhe setzen. Da brach das Unglück über sie herein.
    Am Dienstagmorgen gegen sechs Uhr saßen Stefan und sein Vater am Frühstückstisch. Sie standen unter Druck. Gleich sollte geschlachtet werden. Plötzlich ließ Hans die Tasse, die er gerade zum Mund führen wollte, auf den Tisch knallen. Dann fasste er sich ans Herz. Ganz offensichtlich hatte er starke Schmerzen. Er versuchte zu atmen, aber es gelang ihm nicht. Es dauerte eine Minute, bis Stefan erfasst hatte, was los war. Er rief den Notarzt, der zehn Minuten später eintraf. Aber für Hans war es zu spät.
     
    Nach der Beerdigung dauerte es nur kurze Zeit, bis Stefan sich wieder gefangen hatte. Trotz seines jugendlichen Alters plante er seine Zukunft genau. Er war der Erbe des Betriebes und des Hauses, hatte also eine solide Grundlage. Er stellte einen Meister in Teilzeit ein, damit er keine Schwierigkeiten mit der Handwerkskammer oder der Gewerbeaufsicht bekam. Er selbst nahm an einem Meistervorbereitungskurs teil. Immer, wenn er aus diesem Grund für einige Zeit nicht im Betrieb sein konnte, sprang der Meister ein. Nebenbei modernisierte er den Laden und änderte einiges am Sortiment. Er war voller Elan.
    Den Großvater, der immer noch Tag für Tag durch die Schlachterei stolzierte, ignorierte er weitgehend. Er hatte nicht die Möglichkeit, ihn einfach ins Altersheim abzuschieben, weil er ein lebenslanges Wohnrecht hatte. Und dass er freiwillig das Haus verlassen würde, daran war bei diesem starrsinnigen Menschen gar nicht zu denken. Also behielt er es bei, die Wohnung von einer Haushälterin in Ordnung halten zu lassen, die sich auch um das Essen für ihn und den Großvater kümmerte. Ansonsten hatte er keine Berührungspunkte mit dem alten Mann. Und daran wollte er auch nichts ändern.
     
    Als der Laden an einem Samstagnachmittag geschlossen und die Mitarbeiter zu Hause waren, ging Stefan in die Schlachterei, um ein bisschen an neuen Wurstsorten zu experimentieren. Da kam der Großvater herein und schaute Stefan über die Schulter. Als er erfasste, was der junge Mann da machte, ließ er es sich nicht nehmen, mal wieder eine seiner boshaften Bemerkungen loswerden: »Übermut tut selten gut. Ich habe immer eine gute Wurst

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