Moerderische Idylle
sagte Enoksson, der auch so aussah, als brauche er dringend Essen und Schlaf. »Genau das nehmen wir an. Außerdem sind wir ziemlich sicher, dass er durch das Schlafzimmerfenster abgehauen ist. Wir haben auf der Fensterbank Blut und Hautabschürfungen sichergestellt.«
»Warum hat er nicht einfach die Wohnungstür genommen?«, fragte Bäckström.
»Wenn es stimmt, was die Nachbarin sagt, die sie gefunden hat, dann war die Wohnungstür von innen abgeschlossen. Es ist so ein Schloss, das nicht zuschnappt, wenn man die Tür einfach von außen zuzieht. Wir stellen uns vor, dass er abgehauen ist, als der Zeitungsbote die Morgenzeitung durch den Briefschlitz gesteckt hat. Wir glauben, dass er dachte, jemand sei auf dem Weg in die Wohnung, und da das Schlafzimmer ganz hinten liegt, ist er durch das Schlafzimmerfenster gesprungen.«
»Wann kommt denn die Zeitung?« Lahmarsch, dachte Bäckström.
»Gleich nach fünf Uhr morgens, und dieser Zeitpunkt scheint ziemlich festzustehen.« Enoksson nickte, um das soeben Gesagte zu betonen.
»Was wissen wir sonst noch«, fragte Bäckström.
»Das Ziffernschloss der Haustür unten war ausgeschaltet. Es machte immer wieder Schwierigkeiten, und deshalb hatte der Zeitungsbote sich beklagt. Seit Mittwoch konnte man das Haus also einfach so betreten. Der Schlosser hatte versprochen, die Sache am Donnerstag in Ordnung zu bringen, hat das aber offenbar nicht geschafft.« Enoksson seufzte und zuckte mit den Schultern.
»Die Wohnungstür, Enoksson? Wie sieht es damit aus?«
»Keine Einbruchspuren an der Tür«, antwortete der Befragte. »Keine anderen Zeichen von Gewaltanwendung im Treppenhaus. Entweder hat sie ihn also freiwillig eingelassen, oder sie hat vergessen, die Wohnungstür abzuschließen.«
»Oder er hat ihr das Messer an die Kehle gehalten, als sie das Haus betrat, und sie zum Aufschließen gezwungen. Oder er hat ihr die Schlüssel abgenommen«, stellte Bäckström fest.
»Lässt sich ebenfalls nicht ausschließen«, sagte Enoksson. »Natürlich nicht. Wir brauchen wohl noch zwei Tage in der Wohnung, ehe wir ein klares Bild bekommen. Und das Laborergebnis wird sicher wie üblich auf sich warten lassen, aber die Gerichtsmedizin hat bis spätestens morgen einen vorläufigen Bericht versprochen, da ist die Obduktion wohl schon im Gange.«
»Es gibt also doch ein paar gute Nachrichten«, sagte Bäckström und wirkte plötzlich ziemlich umgänglich. Man muss variieren, dachte er. Viel Peitsche und ab und zu einen Krümel Zuckerbrot.
»Wir haben Blut, Sperma und vermutlich seine Finger gesichert, also sieht die Lage alles andere als nachtschwarz aus«, stellte Enoksson fest.
»Aber du willst mit den Details noch warten?«, Bäckström lächelte noch immer.
»Ja, das hatten wir schon vor, ich und meine Kollegen von der Technik.« Enoksson nickte bestätigend, als habe alles seine Zeit, Bäckström eben auch. »Vielleicht kann ich dir so lange ein paar kleine Überlegungen vorstellen.«
»Ich bin ganz Ohr«, sagte Bäckström. Aber nicht den ganzen Tag, dachte er. Denn jetzt hatte die Revolution die Höhe seines Gürtels erreicht.
»Erstens glaube ich, dass sie ihn ganz freiwillig eingelassen hat. Oder dass sie ihm unterwegs begegnet ist und ihn mit nach Hause genommen hat. Oder sich vorher mit ihm verabredet hatte. So wie es in der Wohnung aussieht, scheint nämlich alles ziemlich friedlich abgelaufen zu sein.«
»Das glaubst du also«, sagte Bäckström langsam. So eine kann doch einfach jeden einlassen, dachte er.
»Und zweitens und bei allem Respekt vor dem, was Kollegin Anna vorhin gesagt hat, glaube ich nicht, dass sie viel dort gewohnt hat. Ich habe die Vernehmung der Mutter gelesen und sie so verstanden.«
»Warum glaubst du das nicht«, fragte Bäckström.
»Sie lag im Bett ihrer Mutter«, antwortete Enoksson. »Ganz bestimmt hat er sie da umgebracht. Und es ist das einzige Bett in der Wohnung. Im Prinzip kann sie natürlich auf dem Wohnzimmersofa geschlafen haben, das wäre groß genug, aber nichts weist darauf hin, dass sie das über längere Zeit gemacht hat, wenn ich das so sagen darf.«
»Aber die Mutter ist doch Lehrerin«, wandte Polizeiinspektorin Sandberg ein, die sich offenbar angegriffen fühlte. »Sie hat jetzt seit fast einem Monat Ferien und war vermutlich die meiste Zeit auf dem Land. Ich meine… denkt doch an das Wetter…«
Dass die nicht aufhören können, dachte Bäckström. Immer, immer müssen sie widersprechen.
»Ich habe schon
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