Moerderische Idylle
Doktorsgata, mitten in der Stadt in einer Villa, die einem Arzt gehört. Vermutlich einem alten Kollegen seines Papa, aber nicht der Knabe hat den Vertrag, sondern der Papa, und es ist nicht ganz so einfach, die Untersuchung genehmigen zu lassen.«
»Na, dann müssen sie eben sehen, wie sie das Problem lösen«, sagte Bäckström. »Und wo ist das zweite Problem?«
»So in aller Kürze«, sagte Knutsson…
In aller Kürze sah das Problem so aus. Schon um 19.20 hatte irgendwer über die Zentrale der Wache abermals Löfgrens Mobiltelefonnummer angerufen, doch Löfgren hatte sich nicht gemeldet. Danach waren fünf weitere Anrufe von derselben Nummer gespeichert, in allen Fällen, nach ihrer Länge zu urteilen, waren sie beim Anrufbeantworter gelandet. Der letzte Anruf war gleich nach Mitternacht getätigt worden. Während der folgenden fünfzehn Tage hatte Löfgrens Mobiltelefonnummer noch weitere zehn Anrufe von der Zentrale der Wache gespeichert. Vermutlich war keiner davon beantwortet worden.
Und als ob das noch nicht reichte und nicht schon zu viel wäre, hatte Kollegin Sandberg ihn fünfmal von ihrem dienstlichen Mobiltelefon aus anzurufen versucht, doch auch diese fünf Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Am Ende hatte sie dann noch einen Versuch von ihrem privaten Mobiltelefon aus gestartet.
»Das war am Donnerstagnachmittag, gleich nach der Mittagspause«, sagte Knutsson. »Und da haben sie offenbar endlich miteinander geredet. Das Gespräch dauerte neun Minuten.«
»Klingt komisch«, stellte Bäckström fest. »Was zum Teufel soll das?« War das nicht der Tag, wo sie mich in der Kantine angequatscht hat, überlegte er.
»Ja, ein wenig auffällig ist das schon«, meinte Thoren.
»Ein Hauch mysteriös, falls jemand meine Meinung wissen möchte«, sagte Knutsson.
»Lasst uns die Sache über schlafen«, entschied Bäckström. Was zum Teufel ist hier denn los, überlegte er.
»Noch etwas«, sagte Bäckström, ehe die anderen das Zimmer verlassen konnten. »Kein Wort von dieser Sache an irgendeinen Arsch.«
»Natürlich nicht«, sagte Knutsson.
»Very hush hush«, stimmte Thoren zu und zwinkerte mit dem rechten Auge, während er sich zugleich den rechten Zeigefinger vor den Mund hielt.
»Was denn«, fragte Bäckström. Sind diese Ärsche etwa auch noch bei den Freimaurern, dachte er.
»Very hush hush, pst pst also«, übersetzte Knutsson. »Wie in diesem Film über die Kollegen in Los Angeles in den fünfziger [ahren. LA Confidential.«
»Da sagt einer immer wieder: very hush hush«, erklärte Thoren. »Starker Film. Nach einem Roman von James Ellroy. Solltest du dir wirklich mal ansehen, Bäckström.«
Eine andere Erklärung gab es nicht. Die müssen schwul sein, dachte Bäckström unmittelbar vor dem Einschlafen. Seit die restliche Menschheit sich Fernsehen und Video zugelegt hatte, gingen doch nur noch Schwule ins Kino. Schwule und Weibsbilder natürlich. Nicht mal Kinder gehen noch ins Kino, dachte Bäckström, doch in diesem Moment wurde er dann offenbar vom Sandmännchen übermannt, denn als er die Augen wieder aufschlug, war es draußen schon hell, und die unbarmherzige Sonne suchte sich einen Weg durch die Vorhänge in sein Zimmer.
Heute koch ich Leim aus dem Arsch, dachte Bäckström, als er unter der Dusche stand und sich vor einem neuen Tag in seinem Leben als Mordermittler von dem kalten Wasser beleben ließ.
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Växjö, Montag, 21. Juli - Sonntag, 27. Juli Kriminalkommissar Jan Lewin las inzwischen die Zeitung Smälandsposten. Irgendeine Zeitung musste er ja schließlich lesen, um sich über die Weltsicht der Medien ganz allgemein und über deren Darstellung der Ermittlungen im Mordfall Linda Wallin im Besonderen auf dem Laufenden zu halten.
Natürlich dominierte der Mord an Linda auch in der großen lokalen Morgenzeitung, doch was dort zu lesen stand, enthielt im Großen und Ganzen keine Spekulationen und war um einiges ausgewogener und rücksichtsvoller als die Berichte der meisten anderen Medien. Obwohl die Zeitung durch ihre Verankerung in Växjö und Umgebung und bei den dort lebenden Menschen doch eigentlich von der Tragödie, die Linda und ihre Familie getroffen hatte, viel stärker berührt sein müsste als die Großstadtzeitungen und deren Berichterstatter.
Außerdem hatte Smälandsposten immer noch Platz für andere Themen. Das war ein kleiner Trost in dem geballten menschlichen Elend, und an diesem Montagmorgen wurde er verabreicht in
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