Moerderische Kuesse
Frank. Frank hatte schon mehr über das Spionagehandwerk vergessen, als Reed je wissen würde, und Frank war ein Genie darin, die Menschen zu durchschauen und Muster oder Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, wo andere nur Chaos sahen.
Auch Swains eigener Status war damit nicht mehr sicher.
Garvins Lösung für das Problem Lily sah vielleicht ganz anders aus als das, was Frank ihm aufgetragen hatte. Garvins Einstellung zu den Nervis unterschied sich möglicherweise grundlegend von Franks. Swain fühlte sich, als hätte jemand sein Tau zum Mutterschiff gekappt und er würde langsam, aber sicher abgetrieben; oder, um ein anderes Bild zu gebrauchen, als hätte er sich auf dünnem Eis herumgetrieben, indem er seinen Einsatz länger als nötig hinausgezögert hatte, und würde nun ein unangenehmes Knacken unter seinen Sohlen hören.
Scheiß drauf. Er würde einfach weitermachen wie bisher, bis er entweder abberufen oder sein Auftrag abgeändert wurde –
wobei Swain ihn längst abgeändert oder wenigstens verschleppt hatte, was aber niemand außer ihm wusste. Im Zweifelsfall war es das Beste, einfach Kurs zu halten.
Wahrscheinlich war der Kapitän der Titanic derselben Devise gefolgt.
Den Rest der Nacht verbrachte er in nervösem Halbschlaf, weshalb er am nächsten Morgen schlecht gelaunt aufwachte.
Bis ihm, wenn überhaupt, die Computerfuzzis ihre Ergebnisse lieferten, hatte er nichts zu tun, außer vielleicht beim Labor vorbeizufahren und den Wachposten den nackten Arsch ins Gesicht zu strecken. Weil es lausig kalt war und er sich den Hintern verkühlen würde, war das Arschzeigen gestrichen, solange er nicht wirklich provoziert wurde.
Aus einem Impuls heraus griff er nach dem Handy und wählte Lilys Nummer, nur um zu sehen, ob sie an den Apparat gehen würde.
»Bonjour«, sagte sie, was ihn rätseln ließ, ob sie etwa keine Nummernanzeige auf ihrem Handy hatte. Er konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen, aber vielleicht antwortete sie ja aus Gewohnheit oder Argwohn auf Französisch.
»Hallo. Hast du schon gefrühstückt?« Er beschloss, dass es nicht die Tageszeit für irgendwelche Förmlichkeiten war.
»Ich habe gerade noch geschlafen, also habe ich auch noch nicht gefrühstückt.«
Er sah kurz auf die Uhr: noch nicht einmal sechs. Er würde ihr die Langschläferei verzeihen. Im Gegenteil, er war froh, dass er sie im Bett erwischt hatte, denn sie klang ganz weich und schläfrig und keineswegs so energisch wie sonst. Er malte sich aus, was sie nachts trug, ein dünnes kleines Tanktop und ein knappes Höschen vielleicht oder noch besser gar nichts.
Ganz bestimmt würde sie nichts Aufreizendes oder Halbdurchsichtiges anhaben. Er versuchte, ihr in seiner Phantasie ein langes Nachthemd oder ein schlabbriges T‐Shirt anzuziehen, konnte es aber nicht. Ausziehen konnte er sie dagegen ganz problemlos. Er konnte es so gut, dass sich sein Lümmel zu rühren und zu erheben begann, bis er dringend eine feste Hand zur Führung brauchte.
»Was hast du an?« Seine Stimme hörte sich tiefer und rauer an als sonst.
Sie lachte, ein überraschter Laut, der aus ihrem Inneren hochzublubbern schien. »Soll das ein obszöner Anruf sein?«
»Es könnte einer werden. Ich glaube, ich fange gleich an zu keuchen. Sag mir, was du anhast.« Er stellte sich vor, wie sie am Kopfende ihres Bettes lehnte, die Decke unter die Achseln geklemmt, und sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht strich.
»Ein Omanachthemd aus Flanell.«
»Lügnerin. Du bist kein Omanachthemdtyp.«
»Gibt es irgendeinen Anlass für diesen Anruf, außer dass du mich aus dem Schlaf reißen und nach meiner Nachtkleidung fragen wolltest?«
»Schon, aber den hab ich vergessen. Sag schon.«
»Hältst du das hier für eine Sexhotline?« Sie klang nicht böse.
»Bitte, bitte mit gefalteten Händen.«
Sie lachte wieder. »Wieso willst du das wissen?«
»Weil mich meine Fantasie umbringt. Du hast dich so verschlafen angehört, als du ans Telefon gegangen bist, dass ich mir einfach vorstellen musste, wie du ganz warm und weich unter deiner Decke liegst. Alles Weitere ist wie von selbst daraus erwachsen.« Er bedachte sein erigiertes Glied mit einem ironischen Blick.
»Du kannst deine Fantasien wieder einpacken. Ich schlafe nicht nackt, falls du darauf gehofft hast.«
»Und was hast du an? Ich muss das wissen, damit ich genauer fantasieren kann.«
»Einen Pyjama.«
Verflucht, Pyjamas hatte er ganz vergessen. »Mit kurzem Höschen?«, fragte er
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