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Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Titel: Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sutton Verlag GmbH
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hatte.
    Ich hatte damals in Zeitz zu tun. Ich las aus dem Manuskript einer Komödie, die am Zeitzer Theater uraufgeführt werden sollte. Zeitz war damals Standort eines Berufstheaters. Drei Sparten! Man lechzte   – angeblich   – nach Komödien. Ich las im Kulturbund, an der Ecke Thomas-Mann-/Rosa-Luxemburg-Straße. Der Kulturbund war eine Vereinigung kakteenzüchtender Damen und briefmarkensammelnder Herren. Vermutlich wird in einem der nächsten Jahre ein Bild von einem Kulturbund auf meinem Tisch landen, und ich werde acht Zeilen zu dieser staatstreuen Organisation verfertigen müssen. Und behaupten müssen, es sei ein heimlicher Ort des Widerstandskampfes gewesen, mit Briefmarken aus dem freien demokratischen Westen.
    Damals sollte der Kulturbund gesellschaftlicher Partner meiner Uraufführung werden und mir gute Ratschläge geben. Ich las tapfer und mit Betonung, spielte die Rollen kunstvoll vor, aber die anwesenden Herren und Damen tuschelten nur über die Kindesvertauschung. Weil sie offiziell totgeschwiegen wurde. Kein Wunder, dass meine Uraufführung ein totgeborenes Kind war, folglich kein Erfolg wurde, von der gelenkten Staatstheaterkritik in einer Zeitung namens »Freiheit«   – hah Freiheit!   – abgeschmettert wurde und nach elf Abo-Vorstellungen abgesetzt wurde. Ich weiß heute, dass ich einfach zu kritisch war, dass man mich nicht hochkommen lassen wollte, weil ich den berühmten Dissidenten Udo   U. Schwer persönlich kannte, der damals weder berühmt noch Dissident war, aber heute beides rechtmäßig unter seiner breiten Brust vereint.
    Das Kind im Kinderwagen, ein Mädchen, war neun Monate alt. Und als die Mutter vom Einkauf zurückkam, lag ein anderes Kind im Wagen. Auch ein Mädchen. Im Alter ähnlich, aber sonst ganz anders. Hatte schwarze Haare und, wie sich dann herausstellte, einen angeborenen Herzfehler. Natürlich wollte die Mutter ihr Kind zurück und nicht dieses fremde aufziehen. Die Behörden versuchten, ihr einzureden, dass sie sich irrte, aber das war nur Ablenkung. Jeder in Zeitz wusste, dass das Ersatzkind nur aus der Russenkaserne, also aus dem Standort der Sowjettruppen, sein konnte. Man hatte mit Russenkindern experimentiert, sie unter weltraumähnlichen Bedingungen geboren. Nach irgendeiner Kotschemassow-Methode. Nur davon konnten solche Herzfehler kommen. Das wusste damals jeder in Zeitz. Bei Zekiwa, wie das Kinderwagenwerk hieß, gab es kaum ein anderes Gesprächsthema. Obwohl es verboten war, zu reden. Also das Reden war nicht direkt verboten, aber falsche Russenkinder deutlich anzusprechen, war ein strafbarer Vorgang, wie das im Behördenwillkürdeutsch hieß, welches es jetzt Gott sei Dank nicht mehr gibt.
    Das falsche Kind starb zwei Monate später, und das richtige blieb verschwunden. Die Mutter schlug natürlich überall Krach, was ihr als Beeinträchtigung staatlicher Maßnahmen ausgelegt wurde und zu verschärfter Beobachtung führte. Maßnahme   A und Maßnahme   B, wenn Sie wissen, was ich meine. Nein, können Sie ja nicht wissen, dazu habe ich ja noch keine Kalenderblätter verfertigen dürfen, weil das System an Rhein und Ruhr nur bunte, billige, optimistische Kalender verkaufen will.
    Die Spur führte nach Erfurt. Die Mutter hatte einen Privatdetektiv beauftragt. Es gab solche in der DDR, aber auch darüber durfte ich noch kein Kalenderblatt verfertigen. Privatdetektive hat es offiziell in der DDR nie gegeben. In Erfurt aber hatte der real existierende Privatdetektiv einen sowjetischen Wissenschaftler gefunden, der die künstlich angeborenen Herzfehler wissenschaftlich ausgewertet hatte. Direkt hinter dem Domplatz, wo jetzt das bunte Leben tobt und damals grüne Zäune alles zivile Leben aussperrten. Dahinter wurden streng geheime Forschungen gemacht. Der Wissenschaftler war bereit, zu reden. Es soll Geld geflossen sein. Demokratisches, also richtiges Geld. Der Privatdetektiv war auf dem Weg zu dem Wissenschaftler, er wurde letztmalig an einer Ampel in der damaligen Maxim-Gorki-Straße gesehen. Eine solche Ampel, die ich im Blatt für die zweite Woche betexten muss. Das Ampelmännchen von Karl Peglau. Hätte ich gewusst   – wir schrieben das Jahr   1978   –, dass es auf jedes Detail ankommt, hätte ich mir schon damals diese Ampel genauer angesehen. Denn ich war ungefähr zu dieser Zeit, als der Privatdetektiv letztmalig vor einer Ampel gesehen wurde, wartend, ebenfalls in Erfurt. Über deren angebliches Blumenparadies iga, die angeblich

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