Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
Bilderrahmen.« Trettner schluckte, als dieses Bild wieder aus seiner Erinnerung auftauchte. »In wochenlanger Handarbeit habe ich in meiner kleinen Werkstatt das beschädigte Holzgestell der Couch bearbeitet. Mit besonderer Sorgfalt habe ich die geschnitzten Verzierungen an den Stuhllehnen lackiert und die Polster mit stilechtem Stoff bezogen. Zum Schluss habe ich sogar die Ziernägel wieder eingeschlagen. Wissen Sie wie viel Herzblut da drin steckt?« Trettner war jetzt nicht mehr zu bremsen. »Selbst Dr. Keitel hatte es gar nicht fassen können, welches Kleinod unter meinen geschickten Händen neu entstanden war.« Trettner holte kurz Luft, um sich etwas zu beruhigen.
Mit der restaurierten Sitzgruppe erstrahlte das Gästezimmer damals in adligem Glanz. Der Hausherr hatte es passend tapezieren und einen neuen Deckenanstrich ausführen lassen. Und nun? Alles umsonst! Die Sitzgruppe verkörperte nach der Aufarbeitung einen Wert von mehreren tausend Euro. Aber darum ging es Trettner nicht. Jetzt war es nicht nur ein Einbruch in Dr. Keitels Haus. Nein, er fühlte sich ganz persönlich bestohlen. Völlig aufgebracht eilte er mit Scanner-Blick durch alle Zimmer.
Im Wohn- und Esszimmer fehlten die Gemälde. Aus der Glasvitrine im Esszimmer hatten die Diebe das teure kobaltblaue Speiseservice entwendet. Die Stereoanlage und der große, erst kürzlich angeschaffte Flachbildschirm waren weg. Sie blickten in leere, aufgezogene Schubladen, über deren Inhalt Trettner nur spekulieren konnte. Ob an Unterlagen etwas fehlte, vermochte nur Dr. Keitel selbst zu sagen.
»Wissen Sie, wann der Doktor wieder nach Leipzig kommt?«, erkundigte sich der Kommissar zum Abschluss.
»Mein Chef wollte nächste Woche zurück sein«, antwortete Trettner. »Er meldet sich immer einen Tag vorher.«
Lucht klappte seinen Notizblock zu. Er wusste, Profis hatten den Einbruch präzise geplant und durchgezogen. Die Aufklärung dieses Diebstahls würde sich hinziehen, wenn die Täter überhaupt zu fassen waren. Hatte Dr. Keitel leichtfertig jemanden den Code der Alarmanlage sehen lassen? Ein Mann, der von Berufs wegen mit Verbrechen – wenn auch flammender Natur – konfrontiert war, war sicherlich sehr achtsam in diesen Dingen. Oder war dieser Hausmeister in den Diebstahl involviert? War die Entrüstung über das Verschwinden der Chippendale-Garnitur nur gespielt? Kommissar Lucht verabschiedete sich und nahm für einen Augenblick den Hausmeister fest ins Visier.
Heinz Trettner hielt dem Blick stand und ahnte, dass er unter Verdacht stand. Was der Kommissar aber nicht erriet: Nicht nur für ihn begann die unerbittliche Jagd auf die Diebe …
Hannah nahm den Mantel von der Garderobe, zog die Handtasche vom Sideboard und griff nach ihrer Börse. Schnell riskierte sie einen Blick hinein. Schade. Heinz, ihr Mann, hatte nicht wie sonst am Monatsende noch einen 50-Euro-Schein hineingelegt. Gewiss, Autoreparatur und neue Werkzeuge hinterließen ein beträchtliches Loch in der Haushaltskasse. Deshalb hoffte Hannah nun auf reichlich Trinkgeld. Seit sie im »Black Angels« arbeitete, erhielt sie oft etwas zugesteckt, denn es war keine gewöhnliche Putzstelle.
Aber das wusste niemand. Selbst ihrem Mann verschwieg sie, dass sie in einem Bordell für Sauberkeit sorgte. Sie fürchtete, ständigen Hänseleien ausgesetzt zu sein. So ließ sie ihren Mann in dem Glauben, dass sie noch für die »Saubermännchen« Büros und Treppenhäuser schrubbte. Sie wäre ja auch bei der Firma geblieben, aber ihr Chef hatte verlangt, dass sie für die Tagestouren ihr eigenes Auto nutzen sollte. Auf Dauer mit Schrubber und Besen im Kofferraum? Das ging zu weit. Hannah hatte also die Initiative ergriffen und bei einer Blindbewerbung auch im nahegelegenen Freudenhaus »Black Angels« angerufen. Das Bewerbungsgespräch hatte sofort gezeigt, dass hier andere Dinge zählten als bei einer Treppenhausreinigung.
Hannah war zum Glück nicht empfindlich. Für die pikanten Dinge gab es Handschuhe. Und sie hatte ihr Mittel für alle Fälle: Ata fein , ein Reinigungspulver, das zu DDR-Zeiten im VEB Waschmittelwerk Genthin hergestellt worden war. Damit bekam sie alles in den Griff. Auch nach der Wende blieb sie Ata fein treu. Zu kaufen bekam sie es leider nur noch im Ossi-Laden und der Preis für 250 Gramm Ata fein stieg von damals 13 – wohlgemerkt – Ostpfennig auf 3 Euro. Dafür erwies es sich als unschlagbar gegen alle hartnäckigen
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