Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
ungefähr am Ende der Welt. Hier oben war praktisch nichts los. Ein paar Laubenknacker und jede Menge Jugendliche, die sich mit Drogen vom Vietnamesenmarkt im benachbarten Potucky zuballerten und dann nicht genug Durchblick hatten, um auf Tauchstation zu gehen, wenn ein Streifenwagen hinter ihnen aufkreuzte. Das war’s im Großen und Ganzen. Es gab keine richtigen Fälle, die messerscharfes Kombinieren, wilde Verfolgungsfahrten und exzessiven Schusswaffengebrauch erforderlich machten.
Doch jetzt war da dieser Anruf.
Mein Nachbar verbrennt gerade seine Frau.
Kevin Kowalek war ein Spund von drei Dienst- und siebenundzwanzig Erdenjahren. Er hatte solch eine Nachricht herbeigesehnt. Trotzdem war er nicht im Geringsten vorbereitet. »Äh … seine Ehefrau?«, stammelte er.
»Ja, natürlich, wen denn sonst«, kam es aus dem Hörer.
Polizeihauptmeister Dieter Unger, der zweite Beamte im Polizeiposten, wurde hellhörig. »Was erzählt der Kerl da?«
Kowalek berichtete in knappen Worten.
»Frag ihn, was ihn so sicher macht, dass sein Nachbar an der Frau rumkokelt.« Unger, ein Veteran, wusste, worauf es ankam. Er hatte vier Sterne auf der Schulter und bloß noch drei Jahre bis zur Pensionierung. Von einem verrückten Ferngespräch ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Aus seinem Schornstein steigt schwarzer Rauch auf«, erklärte der Anrufer. »Schwarz – das ist doch verdächtig. Zumal wenn man bedenkt, dass es mitten im Sommer ist. Wer heizt denn schon um diese Jahreszeit?«
Kevin Kowalek gab das an seinen Kollegen weiter.
Dieser seufzte. »Lass dir die Adresse geben und sag ihm, dass wir vorbeikommen.«
Der Rabenberg lag in Breitenbrunn, einem Nachbarort von Johanngeorgenstadt. Bis zur Wochenendsiedlung waren es etwa zwölf Minuten, zehn mit Blaulicht, aber Unger befahl dem Polizeimeister, die Finger von der Sirene zu lassen.
»Erst mal sehen, was da wirklich los ist«, brummte er.
Die Siedlung bestand aus hübschen eingeschossigen Landhäusern mit viel Rasen drumherum und Sitzecken zum Eierschaukeln. Es gab ein paar Obstbäume und jede Menge Sonnenschirme. Sauber gestrichene Gartenzäune oder frisch getrimmte Hecken begrenzten die Grundstücke. Früher hatte man das Datschen genannt. Heute sagte man Wochenendhaus, obwohl viele der Besitzer die ganze Woche hier lebten.
Manche konnten sich das leisten.
Die meisten hatten nichts anderes zu tun.
Schon möglich, dass da einer auf die Idee kam, seine Ehefrau durch den Kamin zu jagen , dachte Kevin Kowalek.
Sie rochen den Rauch im selben Moment als sie ihn sahen. Schwarz und schwer waberte er aus dem Schornstein der Datsche. Es schien, als habe der Qualm Mühe, zum Himmel aufzusteigen, als sei er mit Partikeln überladen, die ihm Gewicht verliehen und ihn zu Boden drückten. In der Luft lag ein Geruch, der ölig in die Nase kroch. Es stank nach altem Fleisch, das man vor Tagen auf dem Grill vergessen hatte.
Kevin Kowalek zog seine Dienstwaffe. Sein Kollege registrierte es schnaubend, ließ ihn aber machen. Er selbst legte nur die Hand auf’s Pistolenholster, als sie durchs Gartentor auf das Haus zuliefen.
Es gab keine Klingel, also klopften sie. Schritte in der Diele, die Tür wurde geöffnet. Eine Frau starrte sie an. Sie sah nicht aus, als würde sie brennen. Aber vielleicht hatte der Nachbar falsch kombiniert, und die Frau verfeuerte ihren Mann. Kevin Kowalek behielt seine Waffe in der Hand.
»Oh«, machte die Frau. »Ist etwas passiert?«
»Der Rauch«, sagte Polizeihauptmeister Unger.
»Rauch?«
»Auf Ihrem Dach.« Unger stieß einen Wurstfinger nach oben – wie ein grimmiger Hausmeister, der einem undisziplinierten Mieter die Leviten liest.
»Ach so, der Rauch. Da reden Sie am besten mit meinem Mann.« Die Frau wandte sich um. »Rolf!«
Ihr Mann erschien. Ein dürrer Kerl in Freizeithosen, halb so schwer wie seine Gattin, für die er mit Sicherheit kein Gegner war. Nichtsdestotrotz erfreute auch er sich blühender Gesundheit. Polizeihauptmeister Unger kam auf den Rauch zu sprechen.
»Dumme Sache«, gestand der schmächtige Mann.
Im Gegensatz zu vielen anderen Wochenendhäusern verfügte dieses hier nicht über einen Kamin. Stattdessen besaß es eine Ölheizung, die nicht nur behagliche Wärme im Winter spendete, sondern im Sommer auch für fließend Warmwasser sorgte. Die Eheleute hatten die Datsche mehrere Jahre lang kaum benutzt, weil sie »beruflich stark eingebunden« waren, wie der Mann sich ausdrückte. Doch nun
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