Moerderische Schaerennaechte
klar«, erwiderte Thomas. »Aber hilf mir zu verstehen, mit wem wir es hier zu tun haben. Wie äußert sich diese Persönlichkeitsstörung?«
»Meistens schaden sie sich selbst, aber es kommt vor, dass sich ihre Aggression gegen Außenstehende richtet. Man könnte sagen, dass sie sich auf jemanden ›einschießen‹.«
»Kannst du ein Beispiel geben?«
»Männer, die ihre Exfrauen verfolgen, haben nicht selten ein Borderline-Syndrom. Sie machen es sich zur Lebensaufgabe, die Person zu bestrafen, von der sie sich im Stich gelassen fühlen. Gleichzeitig können sie Dritten gegenüber völlig normal auftreten, was es der verfolgten Person umso schwerer macht, weil man ihr nicht glaubt. Die Außenstehenden begreifen nicht, wie schlimm es tatsächlich steht.«
Das war wesentlich ernster, als Thomas gedacht hatte.
»Manchmal treten paranoide Vorstellungen auf, oft ausgelöst durch Stress«, fuhr der Psychologe fort.
»Verfolgungswahn, mit anderen Worten.«
»Könnte man so sagen. In schweren Fällen, wenn es traumatische Erlebnisse gab, kann es bis an die Grenze zur Psychose gehen, begleitet von Aggression und Gewalt.«
»Könnte eine dramatische Fehlgeburt so ein Verhalten auslösen?«, fragte Thomas.
»Ja, durchaus.«
Thomas schloss die Augen. Mats Larsson hatte gerade den Albtraum eines polizeilichen Ermittlers beschrieben.
Die Scheibenwischer schnurrten über die Windschutzscheibe. Es war stürmisch geworden, Thomas sah, wie die Baumkronen entlang der Schnellstraße sich unter dem Wind bogen. Die letzten Blätter wurden von den Zweigen gerissen.
Er musste die Frage stellen, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Ist sie auch für Leute gefährlich, auf die sie sich nicht ›eingeschossen‹ hat?«
»Wenn sie das Gefühl hat, verfolgt oder angegriffen zu werden …« Larsson verstummte. »Du sagst, sie neigt zu Gewalt …«
»Die Antwort ist also ja?«
»Absolut.«
Kapitel 76
Es ging auf siebzehn Uhr zu, aber wegen der dicken Wolken am Himmel war es schon fast dunkel. Durch die Lichtkegel der Scheinwerfer peitschte der Regen.
Thomas versuchte auszurechnen, wie lange sie brauchen würden, um nach Korsö zu kommen. Der Hubschrauber konnte es in fünfundzwanzig Minuten schaffen. Ihnen blieb keine Zeit, auf Verstärkung zu warten, sie mussten so schnell wie möglich dorthin.
Er hatte das sichere Gefühl, dass jede Minute zählte.
Sein Handy klingelte. Margit bog gerade zur Hubschrauberplattform bei Slussen ab.
Es war der Alte. Er verlor keine überflüssigen Worte.
»Wir haben ein Problem. Der Wind hat stark zugenommen, der Wetterdienst hat eine Sturmwarnung für die nördliche Ostsee herausgegeben. Der Polizeihubschrauber kann bei dem Wetter nicht starten.«
Thomas lehnte den Kopf an den Fensterholm und versuchte nachzudenken.
»Was ist mit den Booten vom Wasserschutz?«
»Hab ich schon geklärt. Alle 90er-Boote befinden sich im nördlichen Schärengarten.«
Thomas stellte eine schnelle Überschlagsrechnung auf. Die Wasserschutzpolizei verfügte über drei Stridsbåt-90-Schnellboote, drei RIB-Boote und zwei kleinere SKERFE-Boote. Das reichte, um den gesamten Stockholmer Schärengarten abzudecken. Aber die RIB-Schlauchboote kamen bei diesem Wetter nicht mit dem Wellengang zurecht.
»Liegen hier in der Stadt keine SKERFE-Boote?«, fragte er.
»Nein, eins ist in Berga und das andere auf Djurö, aber dessen Besatzung bummelt Überstunden ab und ist nicht greifbar. Wir müssen erst eine neue Besatzung zusammentrommeln.«
»Das dauert Stunden«, sagte Thomas.
»Ich weiß. Aber wir haben keine andere Wahl.«
»Doch«, sagte Thomas und kramte instinktiv in seiner Hosentasche.
Der Universalschlüssel für die Polizeiboote hing immer noch an seinem Schlüsselbund, keiner hatte ihn zurückgefordert, als Thomas vor ein paar Jahren bei der Wasserschutzpolizei ausschied.
»Ich fahre selbst raus«, sagte er.
Der Alte zögerte mit einer Antwort. Das einzige Geräusch im Auto war das Prasseln des Regens gegen die Windschutzscheibe.
»Hältst du das für klug?«, sagte er schließlich.
»Ich war acht Jahre lang bei der Wasserschutzpolizei.« Thomas wurde lauter. »Du weißt, dass ich ein Boot steuern kann, auch bei ein bisschen Seegang.«
»Der Wetterbericht sagt Sturm voraus, Thomas. Wir haben jetzt schon steifen Wind. An der gesamten Ostküste zieht ein Unwetter auf.«
Der Alte klang gepresst. Sie hatten die Lage nicht mehr im Griff. Aber in seiner Stimme schwang auch noch etwas anderes
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