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Mörderische Tage

Mörderische Tage

Titel: Mörderische Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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würde er ausgiebig mit seiner Frau frühstücken. Er hatte Rahel in der letzten Zeit etwas vernachlässigt. Er würde es wiedergutmachen.
     
    Samstag, 10.40 Uhr
     
    Als Julia Durant erwachte, wurde sie von einem gleißenden Licht geblendet, das wie Millionen winziger Nadeln in ihre Augen stach. Es dauerte eine Weile, bis sie wahrnahm, dass ihre Hände und Füße gefesselt waren. Sosehr sie auch daran riss, bis ihre Hand- und Fußgelenke schmerzten, es gelang ihr nicht, sich davon zu befreien. Und schließlich merkte sie, dass sie nackt war.
    Das ist ein Traum, dachte sie anfangs, das ist nichts als ein ganz, ganz böser Alptraum. Komm zu dir, wach endlich auf, du willst doch heute nach Südfrankreich fliegen, dachte sie und schloss die Augen. Das Licht drang sogar durch ihre Lider, wie die Sonne, wenn sie ohne Sonnenbrille am Strand lag. Ein Traum, ein Traum, ein Traum. Bitte, lass mich aufwachen.
    Sie kannte diese Art von Träumen, in denen sie verfolgt wurde oder ihre Beine scheinbar gelähmt waren und sie nicht oder nur sehr mühsam vorwärts kam oder, oder, oder … Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie in keinem Traum lebte, sondern der Traum sich längst verflüchtigt hatte.
    Durant öffnete wieder vorsichtig die Augen und wandte sofort den Kopf zur Seite, um dem höllischen Licht zu entkommen. Sie sah an sich herunter, erkannte nun in vollem Bewusstsein ihre Nacktheit, die kahlen Wände der schmalen, hohen Zelle, die Eisentür und den dunklen, düsteren Fußboden. Ihre ohnehin trockene Kehle wurde noch trockener, ihre Lippen waren spröde und rissig, die Zunge pelzig. Noch rasten ihre Gedanken durcheinander, sie schloss erneut die Augen und zwang sich zur Ruhe, auch wenn Angst und Panik mit Macht in ihr hochstiegen. Sie sagte sich, es ist ein Spiel, das er mit dir spielt, und er will wissen, ob du in sein Spiel einsteigst.
    Nicht schreien, dachte sie, obwohl ihr das Atmen und das Schlucken schwerfielen, nicht schreien. Es ist kein Traum, sondern Realität, und du wirst dich dieser Realität stellen. Sie versuchte sich an das zu erinnern, was sie zuletzt gemacht hatte. Ihr fiel der Abschied von Berger und ihren Kollegen ein, wie sie nach Hause gefahren war, eine Kleinigkeit eingekauft hatte, wie sie mit Susanne telefonierte und es mitten in dem Gespräch geklingelt hatte. Sie war nach unten gerannt, um ein Paket in Empfang zu nehmen. Ab diesem Moment war ihre Erinnerung wie ausgelöscht. Sie atmete langsam und gleichmäßig, richtete sich auf, schob sich von der Pritsche und sah sich noch einmal in der Zelle um.
    Kein Fenster, murmelte sie kaum hörbar vor sich hin. Der Boden unter ihren Füßen war kalt, überhaupt war ihr kalt, sie fror, was nicht zuletzt daran lag, dass sie seit einer ganzen Weile (wie lange, konnte sie nicht einmal erahnen) nichts zu sich genommen hatte. Wie lange bin ich wohl schon hier? Eine Stunde, zwei Stunden oder länger? Sie wusste es nicht. Und wo bin ich?
    Sie spürte ihr Herz schneller schlagen und mahnte sich zur Ruhe. Immer wieder sagte sie sich, du darfst nicht die Kontrolle verlieren, darauf wartet er doch nur. Aber warum hat er mich nackt ausgezogen? Was bezweckt er damit? Wenn ein Entführer sein Opfer entkleidet, hat es etwas zu bedeuten, das habe ich gelernt. Ich muss mich daran erinnern, was das Nacktsein bei einer Entführung zu bedeuten hat. Es ist ein Er, denn geklingelt hat ein Mann, und dieser Mann hat mir eine Spritze in den Hals gegeben und mich danach zu einem Auto gebracht.
    Ihre Erinnerungen kehrten zurück, sie wusste nun wieder, wie sie zum Kaiserleikreisel und zum Bad Homburger Kreuz gefahren waren, sie jedoch nicht in der Lage gewesen war, einen Ton über die Lippen zu bringen. Ihr Körper war gelähmt gewesen, ihre Sinne jedoch hatten alles wahrgenommen. Und sie erinnerte sich an den Wattebausch, der ihr in Höhe des Eschborner Dreiecks aufs Gesicht gedrückt worden war. Danach musste sie fast sofort in einen tiefen Schlaf gefallen sein. Wie viel Zeit ist seitdem vergangen?, fragte sie sich erneut.
    Sie verspürte leichte Kopfschmerzen, die nichts mit den spitzen Stichen gemein hatten, die sie gewohnt war, wenn sie einen aufreibenden Arbeitstag hinter sich hatte, nein, dieser Schmerz saß in der Stirn und den Augen, ein leicht dumpfes Hämmern, das sie auf die Betäubung zurückführte.
    Sie versuchte, den Schmerz zu ignorieren und sich stattdessen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es sieht aus wie eine alte Gefängniszelle, unsere sind

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