Mörderische Tage
wir Spuren, wir müssen doch wissen, wo wir ansetzen …«
»Sie bekommen diesen Ansatz, jetzt, wo er Ihre Kollegin hat. Er hat Frau Durant nicht einfach so ausgewählt, sondern weil er endlich das Spiel spielen will. Er hat die Nase voll, es reicht ihm nicht mehr, immer nur allein gegen sich selbst zu spielen, er will, dass Sie oder wir in das Spiel einsteigen. Es kommt alles in Fahrt, gedulden Sie sich.«
»Ich kann mich aber nicht gedulden, schließlich geht es um das Leben meiner Partnerin«, brauste Hellmer auf und erhob sich, worauf Sabine Kaufmann ihn sanft am Arm fasste und ihm mit einem eindeutigen Blick zu verstehen gab, dass er sich wieder setzen sollte.
»Herr Hellmer, es geht nicht nur um das Leben Ihrer Partnerin, sondern um das Leben von vier weiteren Personen. Oder erachten Sie das Leben von Frau Durant als wertvoller als das von Frau Cornelius oder Frau Uhlig?«
»Nein, natürlich nicht, aber die anderen kenne ich nicht oder kaum, meine Kollegin aber schon seit vielen Jahren. Und erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht auch Prioritäten setzen.«
»Sie haben recht, aber das tut nichts zur Sache, denn wir haben es mit einem äußerst komplexen Fall und einer noch komplexeren Persönlichkeit zu tun. Persönliche Gefühle dürfen bei den Ermittlungen keine Rolle spielen, sie wären nur hinderlich, was Ihnen aber hinreichend bekannt sein dürfte.«
»Dr. Holzer, seit ich bei der Polizei angefangen habe, sind fast immer persönliche Gefühle mit im Spiel, wenn's um Mord geht. Mal mehr, mal weniger. Bei Frau Durant und andern Kollegen ist es dasselbe, das wird Ihnen jeder bestätigen können.«
Holzer zuckte die Schultern. »Es ist Ihre Art zu arbeiten, ich kann Ihnen nur aus Erfahrung berichten, dass emotionales Engagement der Ermittlungsarbeit nicht dienlich ist. Aber Sie müssen wissen, was Sie tun. Lassen Sie mich Ihnen noch eine Frage stellen: Was würden Sie tun, wenn Sie dem Täter allein Aug in Aug gegenüberstehen würden? Ihn töten, wenn Sie wüssten, dass er Ihre Kollegin getötet hat?«, fragte er und blickte Hellmer direkt in die Augen.
»Das hängt ganz davon ab, wie ich an dem Tag gerade drauf bin. Nein, Spaß beiseite. Ich bin Polizist und nicht der Rächer der Ermordeten und Entehrten, auch wenn es meine Kollegin betrifft.«
»Gut, aber Sie zu analysieren ist wirklich nicht meine Aufgabe.«
»Da sind wir einer Meinung. Ich hätte allerdings noch ein paar Fragen, die Sie sicherlich aus dem Effeff beantworten können. Was bedeutet es, wenn jemand so aufwendig gefesselt wird wie im Fall Gernot und unserm Mann?«
»Es kommt nicht auf den Aufwand an, den ein Täter beim Fesseln betreibt, sondern im Wesentlichen auf die Fesselung selbst. Wer gefesselt wird, ist machtlos. Und das will der Täter demonstrieren, die Machtlosigkeit seiner Opfer. Der Schnickschnack mit den besonderen Knoten ist reine Spielerei. Für die Ermittlungen ist das unerheblich.«
»Und Isolation oder Isolationshaft?«, fragte Hellmer weiter.
»Genau dasselbe. Die Macht des Täters und die Ohnmacht des Opfers. Er bestimmt, was geschieht, das Opfer ist nur Zuschauer oder passiv Mitwirkender ohne Stimme. Grausam, aber leider Alltag in vielen Ländern dieser Erde.«
»Und das Leicht-bekleidet- oder Nacktsein?«
»Wenn das Opfer seiner Kleidung beraubt ist, bedeutet dies immer Entmenschlichung und Entwürdigung. Aber soweit ich mich erinnere, war keines der bisherigen Opfer vollkommen nackt, das heißt, er hat ihnen einen Rest Würde gelassen. Er hat sie sogar gewaschen und mit einer teuren Lotion eingerieben, was die totale Entmenschlichung und Entwürdigung zumindest teilweise wieder aufhebt.«
»Aber er hat ihnen auch die Augen herausgeschnitten, zumindest bei Weiß, Peters und der Unbekannten, die gestern gefunden wurde. Was können Sie uns dazu sagen?«
»Häufig stechen Mörder die Augen aus oder decken sie zu, weil sie der Ansicht sind, dadurch einem Fluch zu entrinnen, oder sie sind der absurden Auffassung, ihr Abbild würde sich im Moment des Todes in den Augen des Opfers wie auf einem Film festbrennen. Aber das sorgfältige Herausschneiden, das unser Täter praktiziert, hat damit nichts zu tun, es deutet eher auf die Sammlung von Trophäen hin wie bei Gernot. Bei Gernot wurde ja ein ganzer Trophäenschrein gefunden. Das Herausschneiden der Augen ist ein Akt der totalen Entmenschlichung und Entwürdigung.«
»Irgendwie komm ich da nicht mehr mit«, bemerkte Kullmer und fuhr sich kopfschüttelnd über
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