Mörderische Tage
Fotos von ihr, darunter einige, die sie wohl mit einer Freundin zeigen, und einige mit ihren Eltern. Die wohnen in Kronberg, ich kenne das Viertel und auch die Straße, exklusive Gegend. Sollen wir gleich mal hinfahren?«
»Tut das. Sonst noch irgendwas Auffälliges?«
»Unzählige Papiere, Manuskripte …«
»Die Manuskripte interessieren mich nicht, ich meine private Aufzeichnungen.«
»Massig. Dafür brauchen wir aber Ruhe, um das alles durchzugehen«, sagte Seidel bedauernd.
»Das sollen andere übernehmen. Fahrt zu den Eltern, das wird lange genug dauern. Frank und ich müssen auch los, wir statten der Freundin einen Besuch ab. Ach ja, als ihr vorhin rein seid, hattet ihr da den Eindruck, als wäre sie mit Gewalt aus der Wohnung geholt worden?«
Seidel schüttelte den Kopf. »Der Hausmeister hat uns aufgemacht. Das Schloss war unversehrt, die Fenster waren geschlossen, es gibt keinerlei Anzeichen für gewaltsames Eindringen. Ihr Auto ist abgeschlossen, eine Hausbewohnerin hat ausgesagt, das Auto so zwischen halb eins und eins letzte Nacht gehört zu haben, es ist ein älterer Diesel und nicht zu überhören. Ansonsten null, nada, niente. Bis auf einen haben wir auch die anderen Bewohner befragt, aber keiner von ihnen hat engeren Kontakt zur Uhlig. Hier wohnen übrigens fast nur ältere Leute. Sie wird als freundlich und unauffällig beschrieben. Also, entweder hat die Uhlig arglos einer bekannten Person die Tür geöffnet, oder sie wurde auf offener Straße gekidnappt. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie die Wohnung nicht betreten hat, nachdem sie aus ihrem Wagen gestiegen ist. Und sollte sie wirklich erst nach Mitternacht nach Hause gekommen sein, dann wird sie wohl kaum noch jemandem geöffnet haben, den sie nicht kennt. Sie hat die Wohnung nicht betreten, dabei bleibe ich.«
»Und woraus schließt du das?«, fragte Durant.
»Das Bett ist unberührt, wie du siehst. Selbst wenn sie extrem ordentlich war, so hätte sie doch zumindest ihre Handtasche irgendwo hier liegen lassen, wenn sie letzte Nacht vor ihrem Verschwinden hier drin gewesen wäre. Die war nicht in ihrer Wohnung. Was immer auch passiert ist, es passierte vor dem Haus, das spüre ich einfach.«
Durant sah sich noch kurz in Arbeitszimmer, Schlafzimmer, Bad und Küche um sowie in einem kleinen Gästezimmer, in dem ein Korb Bügelwäsche und eine Bügelstation standen. Tatsächlich wies nichts darauf hin, dass Franziska Uhlig in der Nacht noch in ihrer Wohnung gewesen war.
»Du magst recht haben. Wir können hier nichts mehr tun. Wir sehen uns spätestens morgen im Präsidium. Aber lasst uns heute Abend noch mal telefonieren, was bei unseren Gesprächen rausgekommen ist. Die Frau ist wie vom Erdboden verschluckt, und das ist so überhaupt nicht ihre Art, wie ihr Chef und eine ihrer engsten Mitarbeiterinnen erklärt haben. Das sieht alles nicht gut aus.«
Kullmer versiegelte die Wohnungstür und sagte leise: »Wenn die tatsächlich von unserem Mann entführt wurde, dann Mahlzeit. Erst die Schweigert, dann die Slomka, jetzt womöglich die Uhlig. Fragt sich nur, wann die wieder auftauchen und wenn, in welchem Zustand. Was macht er mit den Frauen?«
»The answer is blowing in the wind«, bemerkte Hellmer trocken und ging mit Durant zum Auto. »Viel Erfolg bei den Eltern. Ciao.«
Dienstag, 17.55 Uhr
Cornelia Schubert war ein Stück größer als Durant und hatte ein markantes, ausdrucksstarkes Gesicht mit großen blauen Augen, die einen aparten Kontrast zu ihren streng in einen Knoten gebundenen dunklen Haaren bildeten. Sie war sehr schlank, sportlich gekleidet und dezent geschminkt. Durant schätzte sie auf Mitte bis Ende dreißig, auch wenn bereits einige tiefe Falten sich um die Nase, den Mund und am Hals gebildet hatten. Sie ist nicht glücklich, dachte Durant und reichte ihr die Hand. Wahrscheinlich isst sie zu wenig und arbeitet zu viel.
»Was ist mit Franziska?«, fragte Cornelia Schubert nervös, als die Beamten in ihrem Büro Platz genommen hatten. In ängstlicher Haltung blieb sie am Fenster stehen. »Ist ihr etwas passiert? Ist sie gar tot?«, fügte sie mit verdächtigem Vibrato in der Stimme hinzu, die ebenso markant war wie ihr Äußeres, dunkel und etwas rauchig.
»Frau Schubert, beruhigen Sie sich, wir wissen noch gar nichts. Deshalb sind wir auch hier. Wir haben gehört, dass Sie mit Frau Uhlig sehr gut befreundet sind, und benötigen so viele Informationen wie möglich, damit wir uns ein Bild von ihr machen
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