Mörderische Tage
Stimme: »Ich will jetzt nicht zu indiskret erscheinen, aber könnte es sein, dass sie eine andere sexuelle Orientierung hat?«
Cornelia Schubert lachte kurz auf und antwortete mit energischem Kopfschütteln: »Nein, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Franziska ist sexuell extrem inaktiv, eine Seltenheit heutzutage, wenn man den Berichten in den Medien Glauben schenken darf. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir uns mal darüber unterhalten, als sie ein wenig zu viel getrunken hatte, und da hat sie mir gestanden, dass sie seit ihrer Scheidung keinen Sex mehr hatte. Und das beantwortet Ihre Frage ja wohl zur Genüge. Sie wissen ja, wie es heißt: Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit. In vino veritas.«
»Hat sie sich denn nie eine Familie und Kinder gewünscht?«, fragte Durant, die dabei an ihr eigenes, ebenfalls nicht gerade spannendes Privatleben und ihre katastrophale Ehe dachte, die zum Glück längst Geschichte war.
»Natürlich, als sie noch verheiratet war. Da sah sie alles durch die rosarote Brille und wünschte sich vier Kinder. Als sie endlich einen Schlussstrich gezogen hatte, war dieser Wunsch wie weggeblasen. Sie war ja auch erst zweiundzwanzig. Sie beendete ihr Germanistik- und Anglistikstudium und fing gleich danach beim Verlag an. Mehr kann ich Ihnen im Moment aber wirklich nicht sagen. Warten Sie, hier ist meine Karte, falls Sie noch Fragen haben. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, und wenn es mitten in der Nacht ist. Ich bete zu Gott, dass sie noch lebt.«
»Danke, Sie haben uns schon sehr geholfen. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um Ihre Freundin zu finden.«
»Das glaube ich Ihnen, aber Sie haben, soweit mir bekannt ist, auch die anderen bisher nicht gefunden.« Cornelia Schubert senkte den Kopf und fragte leise: »Was macht er mit seinen Opfern? Quält er sie, vergewaltigt er sie? Ich wollte nie daran denken und tat es doch, so wie wahrscheinlich viele Frauen in Frankfurt und Umgebung. Und jetzt befindet sich Franziska in seiner Gewalt, und versuchen Sie gar nicht erst, mir das auszureden. Ganz tief in mir drin weiß ich das. Und ich fürchte so sehr, dass die Polizei nichts ausrichten kann. Das ist nicht gegen Sie gerichtet, Sie tun bestimmt Ihr Bestes, und ich wünsche mir so sehr, es reicht, um Franziska zu finden. Ich möchte sie wieder in die Arme schließen können, ich möchte mit ihr wieder zu unserem Griechen gehen und einfach nur mit ihr quatschen.«
»Wir werden nichts unversucht lassen, sie zu finden, das verspreche ich Ihnen.«
»Sicher, aber Sie haben bisher auch die andern nicht gefunden. Deshalb macht mir das alles Angst.«
Durant und Hellmer erhoben sich und verabschiedeten sich. Durant reichte ihr die Hand, sah ihr in die vom Weinen geröteten Augen und sagte: »Beten Sie für sie. Sie sind doch gläubig, wenn Sie jeden Sonntag in die Kirche gehen, oder?«
»Ja«, erwiderte sie kaum vernehmlich, als könnten fremde Ohren mithören, »aber das darf man heutzutage ja nicht mehr zu laut sagen, da wird man gleich in eine Schublade gepresst. Glauben Sie an Gott?«
Julia Durant lächelte. »Ja, von Geburt an. Mein Vater ist Pfarrer, und ich bin mit Gott praktisch groß geworden. Aber ich bin eine große Zweiflerin, was vielleicht mit meinem Beruf zu tun hat. Beten Sie für Ihre Freundin, gehen Sie doch in die Liebfrauenkirche und zünden Sie eine Kerze an und genießen Sie die Stille in der kleinen Kapelle. Versuchen Sie, zur Ruhe zu kommen. Manchmal geschehen Wunder.«
»Danke, dass Sie das gesagt haben. Eine Polizistin, die an Gott glaubt«, entfuhr es ihr, was so klang als wäre es genauso unvorstellbar wie ein Metzger, der morgens um drei aufsteht, um Brötchen zu backen. »Entschuldigen Sie, das war eben dumm von mir.«
»Schon gut.«
»Ich frag auch nicht, warum Gott das zugelassen hat, das mit Franziska und den anderen Frauen, seine Wege sind unergründlich. Ich werde in die Kapelle gehen. Ich werde tun, was ich kann, um ihr zu helfen, auch wenn es nur im spirituellen Sinne ist.«
»Hier ist meine Karte. Rufen Sie mich an, falls Ihnen noch etwas einfällt. Und sprechen Sie bitte vorläufig nicht mit irgendwelchen Medienvertretern, es würde uns in den Ermittlungen nur behindern.«
»Das hatte ich auch nicht vor.«
»Es mag sein, dass Reporter auf Sie zukommen. Seien Sie gewappnet.«
»Von mir erfährt niemand etwas, das verspreche ich Ihnen hoch und heilig.«
»Mehr wollte ich nicht hören. Machen Sie's gut und passen Sie auf sich
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