Mörderische Tage
hin?«
»Wir haben nicht danach geguckt. Wir werden mehr wissen, wenn die Telefon- und Computerdaten ausgewertet sind.«
»Man wird nichts finden. Sie ist nicht lesbisch, das hätte ihre Freundin uns gesagt …«
»Und wenn die Freundin ihre Partnerin ist?«, warf Seidel ein.
»Sie muss damit rechnen, dass wir das sehr schnell herausfinden. Nein, nicht ihre Freundin und auch niemand anders. Sie hat die Einsamkeit gesucht und gefunden. Sie hat sich seit ihrer Scheidung ihr Leben so zurechtgebogen, dass niemand außer ihr Zutritt dazu hat. Dafür spricht auch ihr Singlebett …«
»Das immerhin eins vierzig auf zwei Meter ist«, warf Kullmer ein.
»Es ist ein Singlebett mit einem Kopfkissen und einer Zudecke. Nicht nur dieses Bett, sondern die gesamte Wohnung scheint mir Ausdruck einer selbstgewählten Klausur. Sei's drum, wir werden sehen, ob ich recht habe … Alles, was mit der Schweigert zu tun hat, brauch ich jetzt nicht noch mal zu erwähnen, das haben wir am Wochenende mehrfach durchgekaut. Es ist für mich ein in sich schlüssiges Schema. Inklusive Kirche. Noch mal: Alle bisherigen Opfer sind jeden Sonntag in die Kirche gegangen und haben regelmäßig die Beichte abgelegt. Zufall?« Durant schüttelte den Kopf und fuhr fort: »In meinen Augen nicht. In den gut zwölf Jahren bei der Mordkommission habe ich bei der Suche nach zwei klassischen und drei eher untypischen Serienmördern mitgeholfen und habe in keinem einzigen Fall erlebt, dass die Opfer allesamt katholisch waren und ihren Glauben auch ausgeübt haben, wozu unter anderem die Beichte gehört.«
»Und wo willst du jetzt ansetzen?«, fragte Kullmer.
»Ich bin noch nicht fertig. Das Wichtigste kommt noch. Weiß und Peters …«
Hellmer rollte mit den Augen: »Ach komm, nicht schon wieder. Das sind wir doch alles schon zigmal durchgegangen.«
»Könntest du mich bitte ausreden lassen? Du weißt doch gar nicht, was ich sagen will. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als wir die Wohnung von Weiß das erste Mal betreten haben. Mir ist sofort das große Kreuz an der Wand aufgefallen, dazu mehrere Ikonen und die Bibel, die sehr benutzt aussah. Ich erinnere mich auch, dass einer seiner Mieter sagte, dass Weiß jeden Sonntag in die Kirche gegangen ist. Jeden Sonntag, wohlgemerkt. Auf Weiß treffen im Übrigen auch alle anderen Merkmale zu, die ich an die Tafel geschrieben habe … Und was hat Herr Peters gesagt, als wir ihn befragt haben? Ein Satz ist mir gestern Abend sofort wieder eingefallen. Er sagte: >Wir sind jeden Sonntag in die Kirche gegangen, und meine Frau hat einmal im Monat bei ihrem Pfarrer die Beichte abgelegt< Frank, erinnerst du dich daran?«
»Hm«, kam es mürrisch über seine Lippen, er hatte die Arme über dem Bauch verschränkt und zog ein beleidigtes Gesicht, was Durant jedoch ignorierte.
»Und jetzt frag ich euch alle, ist das Zufall? Können so viele Gemeinsamkeiten Zufall sein?«
»Aber die Vorgehensweise ist doch eine komplett andere. Die Peters und der Weiß wurden bestialisch abgeschlachtet«, sagte Seidel zweifelnd. »Da gibt es doch nun absolut keine Verbindung.«
»Doch, auch da gibt es eine. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, es nur mit einem Täter zu tun zu haben, und diese Überzeugung hat sich verfestigt. Was hat er mit Weiß und Peters gemacht?«
»Abgestochen wie Schweine im Schlachthof«, bemerkte Hellmer mit herabgezogenen Mundwinkeln und einem Blick, als warte er nur darauf, den Täter endlich zu überführen und ihn für eine Weile quälen zu dürfen für das, was er seinen Opfern angetan hatte und immer noch tat.
»Richtig. Was noch?«
»Er hat ihnen die Augen herausgeschnitten«, fügte Berger hinzu.
»Korrekt. Und was war, als die Schweigert aufgefunden wurde? Ihr waren zwar nicht die Augen herausgeschnitten worden, aber sie hat niemanden erkannt, nicht einmal ihre Eltern. Als wäre sie blind. Man muss sich das vorstellen, da ist eine zweiundzwanzigjährige junge Frau, die fast ihr ganzes Lehen bei ihren Eltern verbracht hat, und als ihre Eltern sie im Krankenhaus besuchen, erkennt sie sie nicht. Sie wusste nicht, wer da an ihrem Bett saß. Man mag sich nicht vorstellen, was das für ein Schock für die Eltern gewesen sein muss. Warum sie ihre engsten Bezugspersonen nicht erkannt hat, weiß keiner von uns, vielleicht kann uns Bock weiterhelfen, ich hoffe, er schickt den Bericht bald durch. Aber das mit den Augen ist doch äußerst auffällig. Warum hat die Schweigert niemanden erkannt?
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