Mörderische Weihnachten
wieder, weil er sich irgendwie lächerlich dabei vorkam. Dafür ging er zurück. Er nahm dabei nicht den gleichen Weg, sondern schlug einen Bogen, weil er auch hinter dem Haus vorbeilaufen wollte, wo die kantigen Schatten der Container vor ihm hochwuchsen. Sie waren mit Schutt hochbeladen. Der Käufer der unteren Wohnung ließ auch Wände herausreißen.
Blake legte seine rechte Hand auf den Griff der Waffe. Er spürte eine sich anschleichende Gefahr. Kalt rann es seinen Rücken hinab, doch aus den Schatten der Finsternis löste sich niemand. Ohne angegriffen zu werden, konnte er das Haus umrunden und nahm wieder den normalen Eingang. Im Flur traf er auf Mitbewohner, die über ihm lebten.
Sie kamen von oben, waren elegant gekleidet und machten einen fröhlichen Eindruck.
»Hallo, Mr. Blake, wie geht es Ihnen?«
Der Superintendent hob die Schultern und wischte über seine Augen. Nur nichts anmerken lassen, dachte er. Sie brauchen nicht zu wissen, was geschehen ist. »Ich bin ein wenig gestreßt!« erklärte er.
»Das sieht man.«
»Aber sonst geht es Ihnen gut, nicht?« fragte die Frau.
»Ja, natürlich.«
Er log. Er hätte lieber schreien sollen: Nein, es geht mir schlecht. Sogar beschissen, aber er brachte die Wahrheit nicht über die Lippen.
»Wir müssen zu einer Weihnachtsfeier, Mr. Blake. Wahrscheinlich kommen wir erst in den Morgenstunden zurück.«
»Dann viel Spaß.«
»Danke.«
Robert Blake schaute ihnen mit gerunzelter Stirn nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Er spürte in seinem Hals das Kratzen und holte durch die Nase Luft.
Plötzlich war ihm klar, daß er sich innerhalb des großen Hauses allein aufhielt. Also ideal für einen Mörder, falls dieser wirklich in der Wohnung lauerte.
Blake ballte seine Hände. Sehr wohl war ihm nicht, doch er beschloß, seine Angst möglichst zu unterdrücken. Außerden besaß er noch die Waffe. Daß er damit umgehen konnte, hatte er schon des öfteren bewiesen. Seine Tritte klangen müde, als er die Treppe hochstieg. Er hielt sich am Handlauf fest, schaute hin und wieder zurück, sah aber niemanden.
Als er die Wohnungstür aufschloß, ging er ebenfalls behutsam zu Werk. Er trat noch nicht ein, gab der Tür einen Stoß, damit sie nach innen schwang, und blieb auf der Schwelle mit gezogener Waffe stehen. Blake hatte im Flur das Licht brennen lassen. Er konnte bis hin zu seinem Ende schauen, vorbei an der Garderobe, den beiden versetzt an der Wand hängenden Spiegeln.
Niemand hielt sich in der Diele versteckt. Leer und völlig normal lag der Flur vor ihm.
Der Mann räusperte sich und holte noch einmal tief Luft, bevor er die Wohnung betrat. Mit dem Fuß drückte er die Tür wieder zu. Als sie ins Schloß fiel und er das Geräusch hörte, kam er sich vor wie ein Gefangener, bei dem sich die Zellentür geschlossen hatte. Gab es eigentlich einen Unterschied zwischen ihm und einen Eingesperrten?
Eigentlich nur formal. Der Superintendent fühlte sich seelisch eingesperrt, gefangen in seiner eigenen Furcht und Trauer um die verstorbene Frau.
Hatte sich etwas verändert?
Äußerlich nicht, aber Blake bekam ein ungewöhnliches Gefühl, als wollte ihm sein Innereseine Warnung zuschicken. Seine Augen hatten sich leicht verengt, auf dem Rücken wollte die zweite Haut einfach nicht weichen. Und als er sein Arbeitszimmer betrat, in dem er die beiden Lampen hatte leuchten lassen, kam er sich vor wie in alten Zeiten, als er noch Wohnungen stürmen mußte.
Er huschte sofort nach rechts weg, blieb vor dem Regal stehen und zielte mit der Mündung in den leeren Raum.
Es war nichts.
Tief holte er Luft und räusperte sich die Kehle frei. Sein Herz schlug schneller, er spürte das Kribbeln im Nacken, und seine Lippen bildeten einen schmalen Strich.
Nein, da war nichts.
Und in den anderen Räumen?
Blake drehte sich um, wollte wieder gehen, als er plötzlich in der Schwärze stand. Jemand hatte das Licht gelöscht! Der Mörder? Mit einem seitlichen Schritt stand er nahe am Schalter, kickte ihn nach unten und war nicht mal enttäuscht, daß es nicht hell wurde. Der Eindringling mußte ganze Arbeit geleistet haben. Er hatte die Sicherungen einfach herausgedreht.
Blake war nicht feige. Sogar die Handfläche, die den Waffengriff umschloß, zeigte kaum Feuchtigkeit. Er trat wieder auf die Türschwelle und dann in den Flur.
»Adamic!« rief er so laut, daß der andere ihn einfach hören mußte. Der rührte sich nicht.
Zeit verstrich. Blakes Augen gewöhnten sich
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