Mörderische Weihnachten
schimmerte.
Die Wohnung des Mannes lag in der ersten Etage. Darüber gab es noch ein Stockwerk, und im Erdgeschoß ebenfalls. Nur wohnte dort zur Zeit niemand. Der Besitzer, der diese Wohnung gekauft hatte, war dabei, sie zu renovieren.
Nach einer Weile fragte ich Suko: »Weißt du, was schlimmer ist, als eine Wohnung zu bewachen?«
»Nein.«
»Auf zwei Wohnungen aufpassen.«
Suko verzog das Gesicht. Ein müdes Grinsen zeigte er. Er sah aus, als würde er eine dünne Zitronenscheibe zwischen den Lippen zerquetschen.
So warteten wir weiter.
Ich rauchte eine Zigarette. Suko verließ hin und wieder den Wagen, um sich in der Umgebung zu orientieren. Verdächtige Dinge hatte er nicht zu Gesicht bekommen.
Es passierte ausgerechnet dann, als er wieder aussteigen wollte, um eine erneute Kunde zu drehen.
»Bleib«, sagte ich und hielt ihn fest.
Der Inspektor rutschte wieder zurück auf den Sitz. »Was ist denn los?« Als Antwort deutete ich schräg nach vorn durch die Scheibe. In der Wohnung des Superintendenten brannte kein einziges Licht mehr. Suko schaute mich an, ich ihn, und er wartete auf mein Nicken. Das verkniff ich mir. Statt dessen öffnete ich die Tür und stieg aus dem Rover. Mir war es in diesen Augenblicken egal, was der Superintendent wünschte oder nicht.
Wahrscheinlich ging es jetzt um sein Leben…
***
Als Robert Blake die Wohnung betreten hatte, war es mit seiner Beherrschung vorbei gewesen. Er warf sich in einen Sessel, preßte die Hände vor das Gesicht und weinte bitterlich.
Keinen Menschen auf der Welt hatte er je so geliebt wie seine verstorbene Frau Linda. Zwanzig Jahre Ehe, das schweißte zusammen, und sie hatten sich immer prächtig verstanden.
Und nun hatte ihn dieser Schlag getroffen, der verdammte, sinnlose Mord. Linda war harmlos gewesen. Sie hatte keiner Fliege etwas zuleide getan. Ihn hatte er treffen wollen, aber verdammt noch mal, warum hatte er sich ihn nicht selbst vorgenommen?
Wahrscheinlich wollte der Killer ihn quälen, ihn allmählich mürbe machen und dann zuschlagen.
Aber der Unbekannte hatte sich geirrt. Sir Robert Blake gehörte zu den Menschen, die man an einem bestimmten Punkt fertigmachen und unterdrücken konnte. War dieser Punkt erreicht, kehrte sich bei ihnen die Depression und die Angst ins Gegenteil um.
In Haß!
Blake haßte den Killer.
Es war ein kalter, fast schon kalkulierter Haß, der den Polizisten dazu zwang, Gegenmaßnahmen zu treffen. Eine Maßnahme war die, sich dem Killer praktisch als Opfer anzubieten.
Sechs große Zimmer besaß die Wohnung. Für zwei Personen schon großzügig, für eine jedoch zuviel. Er war durch die Räume geschritten, und ohne Linda waren sie ihm so leer vorgekommen. In drei Zimmern hatte er Licht brennen lassen. Sollte sich der Killer durch den dunklen Park anschleichen, mußte er erkennen, daß Blake anwesend war. Adamic also!
Robert Blake schüttelte den Kopf. Er dachte über den Mann nach, den er damals verhaftet hatte. Als Weihnachts-Mörder war er in den Annalen eingegangen. Zwanzig Jahre hatte man ihm aufgebrummt. Jetzt war ihm die Flucht gelungen, er würde die Abrechnung vornehmen. Mit Linda hatte er begonnen. Wahrscheinlich schwebten auch der Staatsanwalt und der Richter in allergrößter Gefahr.
Die Männer mußten ebenfalls gewarnt werden.
Der Superintendent saß in seinem Arbeitszimmer. Hinter seinem Schreibtisch hatte er den Platz gefunden. Von dieser Stelle aus konnte er durch das hohe Fenster in den Garten schauen. Nicht weit entfernt sah er den Schatten des Nachbarhauses. Aus den Fenstern fiel ein warmer Lichtschein. Er sah eine Frau in der Küche hantieren. Ein völlig normaler Abend vor Weihnachten. Die Kinder freuten sich, die Erwachsenen standen unter Streß, und ein Mörder schlich durch London.
Die Züge des Polizisten wurden hart, als er daran dachte. Er konnte nicht mehr weinen, vielleicht später, bei der Beerdigung seiner Frau, aber nicht jetzt.
Seine Züge hatten sich verhärtet. Wieder einmal strich er durch sein wirres Haar. Dann zog er die Schreibtisch-Schublade auf und griff hinein. Die Finger der rechten Hand umfaßten etwas Kühles. Es war der Griff einer Waffe.
Langsam holte er die Webster-Pistole hervor. Sie war geladen, er hatte sie stets gepflegt.
Noch einmal ließ er das Magazin aus dem Griff gleiten, schaute nach und nickte zufrieden, als er sah, daß es mit Geschossen bis zum Rand aufgefüllt war.
Ein Pistolenhalfter besaß er nicht. Er legte die Waffe griffbereit vor sich
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