Mörderischer Auftritt
wenn sie heimkommen.«
»Das ist eine großartige Idee. Meiner ist schon ganz abgenutzt, so oft, wie ich darin sitze.«
»Geht es Bruderherz gut?«
»Es würde ihm noch besser gehen, wenn die Zwillinge ihn in Ruhe ließen. Sie finden, er sollte mit ihnen spielen.«
Die Zwillinge, Fay und May, sind fast drei. Ihr zwei Monate alter Bruder würde schnell wachsen müssen, um sich verteidigen zu können.
»Sie haben ihn gestern Abend an beiden Beinen gepackt und über den Fußboden geschleift.«
»Mein Gott!«
»Ihm schien es Spaß zu machen. Henry hat sich aber mit ihnen hingesetzt und ihnen erklärt, dass Bruderherz kein Spielzeug ist und dass sie ihn verletzen könnten.«
»Ich hoffe, sie haben zugehört.«
»Da bin ich mir sicher. Aber der Reiz des Neuen, ein Baby im Haus zu haben, hat sich noch nicht abgenutzt.«
Reiz des Neuen?
»Wo sind sie jetzt?«, fragte ich. Ich klang mit Sicherheit ängstlich.
Debbie kicherte. »Sie schlafen. Alle drei. Hör zu, Tante Pat. Ich rufe aus verschiedenen Gründen an. Einer davon ist, dass ihr doch alle im Alabama Theatre gewesen seid gestern Abend, stimmt’s? Mama hat mir erzählt, dass sie Karten hatte.«
»In der ersten Reihe. Hast du von dem Mann gehört, der umgebracht wurde? Er fiel direkt vor meiner Nase in den Orchestergraben. Es war schrecklich, Debbie.«
»Nun, genau das wollte ich wissen. In den Nachrichten heute Morgen sagten sie, er sei an einem Herzanfall gestorben. In den Mittagsnachrichten war dann von Mord die Rede.«
»Deine Mutter war vorhin hier und hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass man dem Mann die Innereien herausgeschlitzt habe. Ich denke, das ist der Kategorie Mord zuzuordnen. Warum? Warum musst du das wissen?«
»Nun, es hieß, sein Name sei Griffin Mooncloth. Das ist kein Allerweltsname. Und ich habe gestern mit ihm gesprochen. Er hatte einen Termin bei mir heute Nachmittag um drei.«
»Wirklich? Worum ging es?«
»Ich weiß nicht, Tante Pat. Er rief an und hinterließ eine Nachricht, und als ich zurückrief, sagte er nur, dass er ein paar Antworten auf juristische Fragen brauche, und ließ sich einen Termin von mir geben.« Sie machte eine Pause. »Er sagte, die Angelegenheit würde nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, weshalb ich dachte, es könne nichts allzu Kompliziertes sein.«
»Ich hoffe, er wollte nicht sein Testament ändern.«
»Das hoffe ich auch. Erzähl mir, was passiert ist.«
Die Geschichte, die ich erzählte, wurde mit jedem Mal kürzer. Das erinnerte mich an die Zeit, als ich noch Lehrerin war. Zu Beginn des Schuljahres war der Stoff in den vorgegebenen Stunden kaum zu bewältigen. In den letzten Wochen blieb immer reichlich Zeit für dieselbe Stoffmenge. In der Version von Griffin Mooncloths Tod, die ich Debbie gegenüber zum Besten gab, war er in den Rücken gestochen worden und in den Orchestergraben gefallen. Punkt.
»Dann verließen wir den Saal«, endete ich.
»Hmmm.«
Ich vernahm ein klopfendes Geräusch. »Schlägst du dir mit dem Bleistift gegen deine Zähne?«, fragte ich.
»Schuldig.«
»Lass das. Deine Mutter hat ein Vermögen in deine Zähne investiert.«
»Das ist wahr.« Das Geräusch verstummte. »Wie sah er aus, Tante Pat?«
»Ich habe nicht besonders auf ihn geachtet, bevor er aus der Elvis-Reihe ausscherte und nach vorn fiel. Sie waren gerade dabei, alle zusammen in Chorusline-Manier die Beine hochzuwerfen, und dann kam er. Sah in dem Moment nicht gut aus.«
»Jung? Mittelalt?«
»Ich denke, in den Dreißigern. Warum?«
»Ich weiß nicht. Er hat einfach so nett am Telefon geklungen.«
»Erinnerst du dich an Dusk Armstrong? Sie hat ihn identifiziert. Sie sagte, er sei mit ihr auf die Ballettschule in New York gegangen. Sie kann dir wahrscheinlich etwas über ihn erzählen.«
»Sie ist hier in Birmingham?«
»Sie hat gestern Abend in der Show mitgemacht. Hat wunderhübsch ausgesehen.«
»Das hat sie immer.«
Für einen Moment herrschte schweigende Übereinstimmung.
»Tante Pat? Der andere Grund, weshalb ich dich angerufen habe, ist, dass ich eine seltsame Nachricht von Marilyn erhalten habe. Sie war zum Teil verzerrt, wahrscheinlich hat sie von ihrem Autotelefon aus gesprochen. Alles, was ich herausfiltern konnte, war: ›Debbie, erzähl nichts Mama.‹ Hast du was von ihr gehört?«
Marilyn ist das älteste Kind von Mary Alice. Ihr Vater war Will Alec Sullivan, der Ehemann ohne Kinn. Zum Glück hat Marilyn ein hübsches Kinn. Eigentlich ist sie eine schöne Frau, groß wie
Weitere Kostenlose Bücher