Mörderischer Blues
paar Tage länger vom Leib halten zu können?«
»So kann man auch sagen«,
stimmte er zu.
Ich drückte meine Zigarette aus.
»Okay«, sagte ich ihm. »Danke.«
Ich ging zur Tür und hielt sie
für ihn offen. Er starrte mich einen Moment lang an, dann überschritt er die
Schwelle.
»Sie werden Ihr Bestes für mich
tun, Alter, nicht wahr?« fragte er hoffnungsvoll.
»Ich habe es mir überlegt«,
knurrte ich. »Das einzige, was Sie beschäftigt, ist, ob Sie die
Versicherungssumme kassieren können oder nicht. Verglichen mit Ihnen, steht ein
Bussard hoch auf der sozialen Stufenleiter. Ich hoffe, daß die
Versicherungsgesellschaft irgendeinen Weg findet, um Sie aufs Kreuz zu legen,
und ich hoffe, daß Leutnant Harding Sie für den Mord an Ihrer Frau einsperrt.
Und wenn er das tut, dann werde ich unter der Menge stehen, die jubelt, wenn
Sie gehängt werden!«
Nachdem ich ihm die Tür vor der
Nase zugeschlagen hatte, stolperte ich ins Schlafzimmer zurück, zog mich aus
und ging ins Bett.
Ich wußte später nicht, wie
lange ich schon geschlafen hatte, aber plötzlich war ich hellwach.
Ich sah zur Uhr und stellte
fest, daß es 3.30 Uhr war. Ich fragte mich, was zum Teufel mich wohl aufgeweckt
hatte, und dann erinnerte ich mich daran, daß es der Knall eines Schusses
gewesen war.
Im nächsten Moment war ich aus
dem Bett, zog mich rasch an, griff nach meinen Schuhen und lief hinaus.
Draußen vervollständigte ich
meine Garderobe und blickte mich um. Es war eine milde, mondhelle Nacht. Von
See her wehte eine leichte Brise. In zwei Kabinen weiter unten wurde Licht
gemacht. Zuerst sah ich gar nichts, aber nach einer Weile entdeckte ich eine
dunkle Masse, die etwa ein halbes Dutzend Meter von mir entfernt am Boden lag.
Als ich darauf zuging,
entpuppte sich die Masse als ein
am Boden liegender Mensch. In
dem Moment, in dem ich mich neben ihm niederkniete, öffnete sich hinter mir
eine Kabinentür, und Licht fiel heraus auf den Weg. Ich schaute mich um und sah
Greg Bailey in Morgenmantel und Schlafanzug in der Tür stehen.
»Mir war so, als hätte ich
einen Schuß gehört«, sagte er.
»Da haben Sie richtig gehört«,
erzählte ich ihm.
Bailey kam herüber zu mir und
blickte hinab auf die Leiche zu seinen Füßen.
»Wer ist es?« fragte er mit
ausdrucksloser Stimme.
»Man könnte es ausgleichende
Gerechtigkeit nennen«, knurrte ich und richtete mich wieder auf.
»Ausgleichende Gerechtigkeit?«
fragte er. »Was, zum Teufel, soll das heißen?«
»Der Bursche heißt Mike Swain«,
antwortete ich. »Seitdem er hier angekommen ist, haben die Leute versucht, ihn
umzubringen oder ihm nach dem Leben getrachtet. Es sieht so aus, als sei es
ihnen schließlich gelungen.«
»Swain?« fragte er.
»Ein Versicherungsdetektiv«,
erwiderte ich. »Seine Theorie war die, daß wenn man genügend Leute
zusammenschlägt, einer von ihnen alles gesteht, was man von ihm hören will. Sie
ist nicht sehr neu, diese Theorie. Manche Regierungen praktizieren sie schon
seit Jahren!«
Bailey schüttelte den Kopf.
»Sind Sie nüchtern?« fragte er
dann.
»Ich denke schon«, antwortete
ich. »Jedenfalls nüchtern genug, um zu wissen, daß wir jetzt die Cops rufen
sollten.«
»Ich habe ein Telefon in meiner
Kabine«, meinte er. »Ich werde sofort die Polizei verständigen.«
»Versuchen Sie, Leutnant
Harding zu erreichen«, schlug ich vor. »Ihn wird dieser Mord hier sehr
interessieren.«
Bailey ging in seine Kabine
zurück. Weiter unten in der Reihe der Kabinen öffnete sich eine Tür. Jemand kam
heraus, schaute sich um und kam dann zögernd auf mich zu.
»Danny!« Glorias Stimme
zitterte. »Sind Sie das, Danny?«
»Wen sonst hatten Sie
erwartet?« schnappte ich. »Den heiligen Joseph?«
»Mir war so, als hätte ich
einen Schuß gehört!«
»Dann war Ihnen richtig«, sagte
ich ihr.
»Wer hat geschossen?«
»Das weiß ich nicht, Honey«,
antwortete ich. »Aber ich weiß, wer die Kugel gefangen hat.«
»Und wer war das?« fragte sie
gespannt. Gloria trat zwischen Baileys Kabine und mich. Sie trug ein
durchsichtiges Nachthemd, und das aus der offenen Tür fallende Licht zeichnete
eine Silhouette ab, wie sie gut und gern der Wunschtraum eines Lebenslänglichen
im Zuchthaus St. Quentin sein konnte.
»Ein Versicherungsdetektiv
namens Mike Swain«, sagte ich.
Greg Bailey kam zurück und
pfiff anerkennend durch die Zähne, als er Gloria entdeckte.
»Haben Sie Harding erreicht?«
fragte ich.
»Wen?« fragte er
geistesabwesend, weil er
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