Mörderisches Musical
hattest, und er hat gelacht und
gesagt, ich wäre eine Nervensäge und würde ihm ständig im Weg herumlaufen.«
»Mark, essen wir doch zusammen zu Abend, was
meinst du?« Um Himmels willen, Mark hat ein Motiv für beide Morde.
»Wie konnte er mir das antun? Ich habe ihn
geliebt. Ich würde alles für ihn tun.«
»Mark, mein Lieber, das gehört leider alles zum
Erwachsenwerden. Was hältst du davon, wenn ich dich so um sechs abhole und wir
irgendwohin gehen und uns amüsieren? Ich möchte nicht, daß du allein bist.«
»Nein, bitte, Wetzon. Verstehst du nicht? Die
haben mich reingelegt.« Seine gespannte Stimme kam tot und ausdruckslos über
die Leitung zu ihr. »Und sie werden nicht einfach so davonkommen.«
Verhängnis.
Düsterkeit. Regen. Ein schlüpfriger Glanz unter den Füßen. Eisige Finger,
die auf den Saiten ihrer Seele spielten. Der Traum vom Tod ihrer Eltern hatte
ihr ganz schön zugesetzt.
Wetzon stand unter der Markise und wartete
ungeduldig, daß ein leeres Taxi vorbeikäme. Die feuchte Kälte drang langsam
durch ihre schwarzen wollenen Leggings. Es gab viele Taxis ohne Lizenz — in der
Stadt als Zigeuner bekannt — , aber sie war nie gern in eines eingestiegen,
weil sie nicht versichert waren und man den Preis aushandeln mußte.
Was hatte Mark vor? Sie fühlte sich schrecklich
verantwortlich für ihn, und sie hatte Angst. Die Leute töteten wegen
geringfügigerer Dinge.
Aber es gab mit Sicherheit andere Verdächtige.
Vielleicht sogar Mort persönlich. Phil. Aline mit ihrem Gipsverband ums
Handgelenk. Fran Burke. Was war aus seinem kunstvollen Spazierstock geworden?
Ein stumpfer Gegenstand. Aber bei Fran konnte Wetzon kein Motiv erkennen. Es
sei denn, Mort verlangte einen Anteil Gewinn an den schwarz verkauften Karten.
Zwei Menschen waren allem Anschein nach mit
demselben oder einem ähnlichen stumpfen Gegenstand getötet worden, und dennoch
schien niemand eine Ahnung zu haben, was die Mordwaffe war.
Ein Taxi kam langsam mit eingeschaltetem
Dachlicht die 86. Straße herunter. Sie verließ den Schutz der Markise und eilte
winkend auf die Straße. Es hielt vor ihr. »Fifth und 58. Das General-Motors-Gebäude«,
sagte Wetzon zum Fahrer.
Mach deinen Kopf frei und konzentriere dich auf Artie
und die nächste Aufgabe.
Sie hatte auf Sonyas Anrufbeantworter eine
Nachricht hinterlassen, mit der sie, ziemlich dringend, um eine Sitzung für
diesen oder den nächsten Tag gebeten hatte. »Mein Traum hat eine unangenehme
Wende genommen«, hatte sie erklärt.
Sie durchquerten den Central Park auf der Höhe
der 86. Street. Der Park wirkte unwirtlich, die Bäume ihrer Blätter beraubt,
braun, plattgedrücktes Wintergras — verlassen bis auf die wenigen süchtigen
Jogger, die durch Schnee, Graupelschauer, Hagel und nächtliche Dunkelheit
laufen.
Sie schloß die Augen und dachte: Warum kann ich
nicht akzeptieren, daß Alton mich liebt und mir ein angenehmes Leben schenken
kann? Weil, erwiderte eine Stimme, weil du nie eine richtige
Beziehung zu irgendeinem Mann hattest. Das ist nicht wahr. Okay, dann
nenne einen, sagte die Stimme.
Einen nennen? Klar doch. Hm. Da war... Ja, was
ist mit Carlos?
Nun mach mal halblang, sagte die Stimme.
Der Fahrer bog links ab in die 58. Street und
hielt an. Sie gab ihm sieben Dollar, stieg aus und spannte den Schirm auf. Es
war Samstag, und es hatte noch keiner diese kleinen weißen Perlen gestreut, die
Eis schmelzen. Es war glitschig unter den Füßen.
Das GM-Gebäude — wahrscheinlich einer der
häßlichsten Bauten in New York — hatte eine Art Einkaufszentrum im
Untergeschoß. Einige Läden waren kaum zu sehen und konnten deshalb oft nicht
vermietet werden. Doch das Gebäude hatte als Adresse die Fifth Avenue und F.A.
0. Schwarz im Erdgeschoß, und es lag direkt gegenüber dem Osteingang zum
Central Park und im Herzen des gehobenen Einkaufsdistrikts — Bergdorfs,
Bloomie’s, Tiffany’s — und war von feudalen Hotels wie dem Pierre, dem Plaza und dem Sherry Netherland umgeben. Deshalb war nicht
anzunehmen, daß seine Besitzer jemals finanzielle Probleme gehabt hatten.
Wetzon durchquerte die Halle des Gebäudes bis
zur Seite nach der Madison Avenue hin, und da stand B. B. in sauberen und
gebügelten Jeans, einer rot-weißen Skijacke, an deren Reißverschluß noch eine
Liftkarte hing, und weißen Laufschuhen. Er las den Institutional Investor. Wetzon mußte lachen. Hätten sie wirklich ihre Identität verheimlichen wollen,
dann hätte er sie mit der Wahl seiner
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