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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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mit
blassen braunen Augen blinzelnd, bis sie ihn ansprach.
    »Mrs. Orkin«, sagte sie.
    »Ihr Name, Miss?« Sein irischer Tonfall klang
ausgesprochen vornehm.
    »Ms. Wetzon.«
    Er stöpselte ein Kabel in die interne
Sprechanlage und meldete sie an, wobei er ihren Namen tatsächlich richtig
aussprach, ihm aber eine romantische Melodie gab. »Ms. Wetzon möchte zu Ihnen,
Mrs. Orkin.« Er trennte die Leitung und nickte Wetzon zu. »Fahren Sie gleich
nach oben. Achtzehn C. Der Aufzug ist dort rechts.«
    Dieses Gebäude an der Fifth Avenue nahm das
ganze Quadrat ein, mit einer Front zur Madison und einer zur Fifth. Es war
berühmt für Größe und Zuschnitt der Wohnungen. Ohne Beziehungen konnte man sich
nicht einkaufen, und der Verwaltungsrat war bekannt für seine strenge Auswahl.
Wetzon hatte gehört, daß die Preise hier nicht einmal im Gefolge der Rezession,
die den enormen Immobilienpreisen in New York gehörig geschadet hatte,
zurückgegangen waren. Die Leute warteten geduldig jahrelang, daß Wohnungen in
diesem Gebäude auf den Markt kamen.
    Der Aufzug war holzgetäfelt, die Messingteile
auf Hochglanz poliert. Der junge Aufzugführer musterte Wetzon neugierig, als
sie den achtzehnten Stock nannte. Wessen Wohnung war es gewesen? fragte sie
sich. Dillas oder Susans? Der konservative Verwaltungsrat dieses Gebäudes würde
ein lesbisches Paar nicht gerade wohlwollend betrachten, das standfest. Man
weigerte sich konsequent, Unterhaltungskünstler und sogar klassische Musiker
aufzunehmen.
    Auf dem achtzehnten Stock gab es nur zwei
Wohnungen, C und D. Der kleine Flur war mit rostfarbenen Keramikfliesen und
maulwurfsgrauen Tapeten mit rostfarbenen Blümchen verschönt. Vier alte
Blumendrucke in schlichten schwarzen Rahmen hingen in einer Reihe an der Wand
gegenüber dem Aufzug. An jeder Tür klebte ein fotokopierter Brief an alle
Mieter, der darüber informierte, daß die Verhandlungen mit der Gewerkschaft des
Hausverwaltungspersonals abgebrochen worden waren und daß gestreikt wurde. Sie
hatte an diesem Morgen eine ähnliche Bekanntmachung im Aufzug ihres eigenen
Gebäudes gesehen.
    Wetzon klingelte an der C und hörte statt der
leisen Glöckchen, mit denen sie fest gerechnet hatte, eine schnarrende Klingel
und unmittelbar darauf Gekläffe wie von einem kleinen Hund.
    Wetzon hätte die Frau, die die Tür öffnete,
niemals als die Susan Cohen vom College erkannt. Das Haar dieser Frau war
zuckerwatteweiß, ohne jede Farbe, an der Seite gescheitelt und um das kleine
Gesicht aufgeplustert, wodurch dieses noch kleiner wurde. Durch soviel Haar
wirkte Susans Kopf zu groß für ihren Körper, der noch genauso winzig war wie
vor fast zwanzig Jahren. Susan war genaugenommen eine Miniaturfrau, kleiner als
Wetzon, mit hübschen Rundungen, ohne dick zu sein.
    Sie starrten sich einen kurzen Moment lang an,
dann gaben sie sich die Hand, und Susan zog Wetzon in die Wohnung und schloß
die Tür. Das Gekläffe nahm an Lautstärke zu. Susan achtete nicht darauf.
    »Ich hätte dich nie erkannt«, sagte Wetzon.
»Dein Haar...es ist so schön.« So viele Dinge an Susan waren anders, aber das
Haar zu erwähnen war vermutlich am ungefährlichsten.
    Susans Lächeln war makellos. Auf dem College
hatte sie einen abgebrochenen Schneidezahn gehabt. »Neue Nase, Silikonkinn,
Kollagenbacken und -lippen. Ich war so häßlich auf dem College.«
    »Nein, das stimmt nicht«, widersprach Wetzon und
meinte es ernst.
    Susan führte Wetzon durch einen Flur voller
Antiquitäten in die Küche. Das Hundegebell wurde wütend. »Hoffentlich macht es
dir nichts aus. Hier können wir leichter reden. Dillas Mutter, Schwester und
Schwager sind hinten.«
    Die Küche war riesig: eine Arbeitsinsel in der
Mitte und rechts ein alter Kirschbaumtisch, französische Bauernstühle mit
hübschen, buntgemusterten Kissen. Sechseckige braune, unglasierte Kacheln
bedeckten den Boden, und an den Wänden hingen gerahmte Poster von Dillas Shows.
Wetzon zog einen Stuhl vor und setzte sich, während sie Mantel, Aktentasche und
Handtasche auf einen anderen Stuhl legte. Sie sah zu, wie Susan einen
Kupferkessel mit Wasser füllte und den Brenner an dem massiven Garlandherd so
weit aufdrehte, daß die Flamme an die Kante des Kessels züngelte und an der
Seite hochkroch. Der Raum war kalt; sie konnte den Wind gegen die vorhanglosen
Fenster peitschen und an der Lieferantentür rütteln hören.
    »Was für eine herrliche Wohnung.«
    »Ja, nicht wahr? Wir hatten Glück, daß wir in
das Haus

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