Mörderisches Musical
daß er krächzte. »Jeder kämpft hier gegen jeden.
Mort macht Szenen wie ein Irrer. Dein Freund Twoey Barnes läuft herum, als
hätte es bei ihm eingeschlagen, und Mort ordnet immer mehr Ausstattung an, und
wer braucht die? Wir haben uns alle schon früh darauf verständigt, daß weniger
mehr wäre...«
»Ich dachte, es wäre kaum genügend Geld
vorhanden, um in Boston zu spielen?«
»Sein neuer Partner scheint tiefe Taschen zu
haben.«
»Du meine Güte, Twoey...«
»Ich kann es nicht erwarten, bis du kommst. Mort
hat immer auf dich gehört.«
»Das ist lange her, Carlos.«
»Schatz, ich kann dir jetzt schon verraten, daß
dies meine letzte Show mit Mort ist. Du hast keine Ahnung, wie furchtbar es
ist. Er hat Sam einen untalentierten Schreiberling genannt. Das nächste war ein
Tobsuchtsanfall wegen der Instrumentation, weil sie Poppy nicht gefiel.«
»Was versteht Poppy von Instrumentation?«
»>Was versteht Poppy von Instrumentation?<
fragt sie. Was braucht Poppy Hornberg überhaupt von irgendwas zu verstehen? Sie
gibt einfach solche Sprüche von sich, und alle hören auf sie, besonders Mort.
Poppy hält die Beleuchtung für zu dunkel, also sagt Mort zu Kay, sie könnte
sich nicht einmal selbst heimleuchten.«
»Originell.«
»Dann beschimpft er Phil vor der ganzen Truppe
und Mannschaft als Idioten, weil er einen falschen Einsatz gegeben hat.«
»Das schafft gewiß Vertrauen allerseits.«
»Und als Aline Phil verteidigen wollte,
bezeichnete Mort sie als fette Lesbe, die sich als Frau verkleidet.«
»Was soll’s. Der übliche Mort-Hornberg-Koller.
Wie bist du davongekommen?«
»Bin ich ja nicht, Schatz. Er hat mir gesagt,
daß er jemand kommen läßt, der weiß, wie man eine Broadway-Show
choreographiert.«
»Mann.« Das war ernst. »Wie hast du reagiert?«
»Ich habe gesagt, wenn er das tut, werde ich ihn
mit Vergnügen umbringen.«
»Ich helfe dir gern dabei, wenn du wartest, bis
ich dort bin.«
»Zu spät, Schatz. Jemand anderes könnte schon
vor uns hingekommen sein.«
In
zwölftausend Meter Höhe, irgendwo über Bridgeport, servierte ein Steward
Champagner, keinen Geringeren als Taittinger’s, und Pastete auf kleinen
Keilen dunklen Brotes.
Wetzon saß über dem Flügel, die Beine vor sich
ausgestreckt. Es war ein magischer Februarabend. Der Himmel schien endlos
gewölbt, und die blinkenden Lichter der Grumman G-2 mischten sich unter die
Sterne. Sie hob ihr Glas und trank ihnen zu. Die Limonade sprudelte nicht mehr.
Wenn schon. Auch so war es Luxus.
Smith hatte ausgemacht, daß ein Wagen sie im
Büro abholte und zum Westchester County Airport in White Plains brachte. Es war
einer von Joel Kiddes Wagen, mit Bar und Fernseher und allem Drum und Dran. O
ja, Smith war in Topform.
Während dieses kurzen friedlichen Zwischenspiels
im Flugzeug fühlte sich Wetzon ganz allein, und es war ein wunderbares Gefühl.
Sie hatte Alton eine Nachricht hinterlassen. Liebster Alton, hatte sie
geschrieben und die Worte sorgfältig gewählt. Bestimmt hast du vergessen,
daß ich dieses Wochenende wegen Carlos‘ Premiere in Boston bin — im
Ritz. Komme Samstag nacht zurück. Sie unterschrieb, Herzlichst, L., dann las sie es durch und fügte ein P.S. hinzu: Deine Nachricht ist
angekommen und wird zur Zeit verdaut. Sie hatte den Brief in einen Umschlag
gesteckt und bei Altons Portier abgegeben.
Von Silvestri hatte sie nicht wieder gehört, und
als sie daran dachte, war sie plötzlich sauer. Für wen hielt er sie eigentlich?
Einfach eine, die man bumsen konnte, wenn einem danach war? Sie spürte, wie sie
allmählich in Wut geriet. Verdammt, warum bedeutete er ihr soviel? Alton war
besser für sie...
Ein perlendes Lachen drang durch ihre Träumerei.
Beinahe war es ihr gelungen, das irritierende Gesumme von Menschen um sie
herum, die versuchten, sich gegenseitig zu beeindrucken, zu überhören. Smith
war wirklich in Hochform. Es ärgerte Wetzon mehr als üblich. Andererseits
ärgerte sie in letzter Zeit alles mehr.
Trotz ihrer herzlichen Gefühle für Carlos
fürchtete sie sich beinahe vor dem, was in Boston auf sie zukommen würde.
Probevorstellungen in anderen Städten waren in mehr als einer Hinsicht
nervenaufreibend. Alle waren gereizt, die Leute warfen sich unverzeihliche
Dinge an den Kopf und erwarteten dann, daß man ihnen verzieh. Kostüme paßten
nicht richtig, Einsätze kamen nicht richtig, Scheinwerfer gingen nicht mit. Die
Darsteller würden körperlich und geistig erschöpft sein. Als sie
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