Mörderisches Musical
und es war ihr bewußt. »Mort und ich haben einen kleinen
altmodischen Kuhhandel abgeschlossen. Eine Hand wäscht die andere.« Sie lehnte
sich zurück und faltete die Hände auf dem Tisch wie ein Schulmädchen. An der
Bar ließ JoJo seine Finger über Joclyns Wirbelsäule wandern, und Joclyn schien
es zu mögen. Doch Joclyn war Schauspielerin und wußte, auf welcher Seite des
Brotes die Butter war. Man wies die Annäherungsversuche des Musicaldirigenten
nicht ab. Soviel zum Showbusineß.
Carlos sagte: »Altmodischer Kuhhandel? Möchte
wissen, was das sein könnte.«
»Ich habe ihn gebeten, seine Pfoten von Smitty
zu lassen.«
»Und er hat zugestimmt?« Carlos schien
überrascht.
»Mhm. Aber nicht bevor er mich ein
selbstgerechtes Weibsstück genannt hat, das nie eine richtige Beziehung zu
jemand hatte.«
Carlos betrachtete sie forschend, dann nahm er
ihre Hand. »Und du glaubst ihm?«
Sie schüttelte den Kopf und entzog ihm ihre
Hand. »Darüber möchte ich nicht reden.«
»Nimm dir das bitte nicht zu Herzen, Häschen.
Das ist einfach Morts fiese Art, dich aus dem Gleichgewicht zu bringen.«
Sie preßte die Lippen zusammen und nickte. »Ja.
Ich bin richtig stolz auf mich.«
Carlos ging zur Toilette, und Wetzons Blick schweifte
wieder zu JoJo und Joclyn. JoJo hatte seine Hand unter Joclyns Pullover
hochgeschoben.
Na ja, war das in der Wall Street anders? Erst
letztes Jahr hatte es in einer größeren Firma einen Fall gegeben, der Aufsehen
erregt hatte. Sexuelle Belästigung einer Maklerin durch den Regionalchef, nicht
weniger. Niemand war überrascht, weil besagter Chef oft genug beschuldigt
worden war, mehrere frühere Opfer, die Beschwerde geführt hatten, gekauft zu
haben, aber diesmal wollte die Frau die angebotene großzügige Summe nicht
annehmen. Anscheinend hatte sie die sehr anschaulichen Vorschläge dieses Typen,
was sie für ihn und er für sie tun könnte, auf Band aufgenommen. Unter diesen
Umständen wurde der Täter gefeuert - jedoch mit einer Frist von einem vollen
Jahr. Tralala.
»Hören Sie, Wetzon«, hatte einer der
Geschäftsführer gesagt. »Wenn man seinen Pimmel wo reinhängen will, gibt es
bessere Orte dafür als das eigene Büro.«
Dank sei Anita Hill, daß sie so ein Bewußtsein
dafür entwickelt hatte, dachte sie. Der Leiter der Einzelhandelsabteilung einer
anderen größeren Firma, der gern ihm unterstehende Zweigstellen betrat und
fragte: »Gibt es hier was, das sich zum Ficken lohnt?«, war ebenfalls
Geschichte.
Carlos kam zurück, als sie bedient wurden.
Dicker Cheddarkäse schmolz über einem mächtigen Hamburger.
»Das ist genug Cholesterin für zwanzig Leute und
mehr.«
»Trink deinen Martini, Schatz. Heute versage ich
mir nichts. Mort besteht darauf, die Voraufführung heute abend zu spielen. Er
sagt, Sam hätte es sich so gewünscht.«
»Es ist ein moralisches Dilemma.«
»Genau, Häschen. Und Mort ist noch nie von
moralischen Bedenken geplagt worden.« Er trank seinen Martini aus und winkte
nach einem weiteren. »Was meinst du, was wir als Herrentoilette einrichten
sollen?«
»Vielleicht mieten sie solche transportablen
Klohäuschen.«
»Klasse, Schatz.« Er stach mit Messer und Gabel
in den Burger und begann zu essen. Der Kellner stellte einen weiteren Martini
vor ihn.
»Du rätst nie, wer mir heute morgen über den Weg
gelaufen ist. Melanie Banks.« Die Suppe enthielt reichlich Muscheln und war
vorzüglich gewürzt.
»Im Ernst?«
»Sie ist verheiratet, hat eine ziemlich
erwachsene Tochter und leitet ein Tanzstudio. Sie kommen heute abend zur Show.
Ist das nicht toll?«
Carlos verdrehte die Augen. »Reizend, Schatz.«
»Gut. Ich gebe auf. Warum teilst du mir nicht
deine Theorie mit, wer Sam getötet hat.«
»Ich wollte von Anfang an Nelson für die
Partitur haben, aber Mort sagte, er hätte noch nie eine vollständige
Broadway-Partitur geschrieben, also haben wir ihn nur für die Tanzmusik unter
Vertrag genommen. Ich habe Mort von Anfang an gesagt, daß Sam zum Problem
werden würde.«
»Gibst du Sam die Schuld daran, daß er ermordet
wurde?«
»Nein, Herzblatt. Sam dreht unter Druck immer
durch. Drehte durch. Du hättest ihn bei Grayson’s Daughters sehen
sollen. Wären diese bewährten Burschen Kander und Ebb nicht gewesen — sie haben
mir einen großen Gefallen getan — , hätten wir den Laden dichtmachen können.«
»John Kander und Fred Ebb.« Wetzon lächelte.
»Die nettesten Jungs in der Zunft. Die beiden sind fast die einzigen, die
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