Mörderisches Paradies
wirklich keine Angst? Du musst an Land schwimmen und Hilfe holen. Von Jake oder den echten Polizisten, aber von niemandem sonst, verstehst du? Such Jake und sag ihm, er soll Mike herholen. Dann weiß er Bescheid. Sie werden alles in Bewegung setzen, was die Häfen hergeben, um uns zu finden. Schaffst du das? Sicher? Wir sind schon fast einen Kilometer weit draußen.”
“Ich schaff das schon”, versicherte Amber unter Tränen.
“Dann mach, dass du wegkommst. Und zwar gleich.”
Er griff nach einer der Rettungswesten und reichte sie Amber. Gleichzeitig schielte er in die Kabine, aber da bewegte sich nichts.
Das kam ihm sehr verdächtig vor.
“Los!”, sagte er zu Amber.
Sie drehte sich noch einmal um, mit Tränen in den Augen.
“Los, Süße. Hol uns Hilfe.”
Sie nickte. Anscheinend wusste sie, dass sie möglichst leise sein musste, denn sie glitt fast lautlos ins Wasser. Er erlaubte sich einen kleinen Augenblick, um sich zu verfluchen, weil er gerade ein junges Mädchen ins nächtliche Meer geschickt hatte, einen Kilometer vor der Küste. Aber wenn es jemand schaffte, dann Amber Anderson, da war er sich sicher. Mit diesem beruhigenden Gedanken drehte er sich um und sah nach unten.
In der Kabine war Beth.
Und da unten war es verdächtig ruhig.
Als Beth aufwachte, hämmerte ein Schmerz von innen gegen ihre Schläfe.
Allmählich kehrte die Erinnerung zurück. Ihr fiel ein, dass Sandy die Bratpfanne geschwungen hatte. Wegen der Ironie der Situation hätte sie fast gelacht. Da hatte sie einen Mann überwältigt, der mit einem Messer bewaffnet war, nur um von einer Frau mit einer Bratpfanne niedergeschlagen zu werden. Ganz langsam öffnete sie die Augen und spürte, dass sie immer noch auf See waren und sich ziemlich rasch voranbewegten. Inzwischen lag sie auf einer Koje.
Sie versuchte sich zu bewegen, aber ihre Hände waren gefesselt. Gerade als sie die Fesseln mit ihren Zähnen bearbeiten wollte, hörte sie von oben ein krachendes Geräusch.
“Was zum Teufel ist da los?”, rief Brad.
“Vielleicht die Kleine?”, schlug Sandy vor.
“Du bleibst hier und hältst die Stellung. Ich gehe nachsehen”, sagte Brad.
Dann herrschte Stille. Mucksmäuschenstill lag Beth in ihrer Koje und lauschte angestrengt.
Plötzlich hörte sie einen dumpfen Schlag.
Kurz darauf stürzte Sandy in die Kabine, in der Beth lag. Hastig griff sie in eine Schublade und zog eine Pistole heraus. Eine 38er Smith & Wesson, wie sie auch Ben besaß. Sandy kam zu Beths Koje, kniete sich neben sie und hielt ihr die Waffe an die Schläfe.
Als sie das kalte Metall an ihrer Haut spürte und sich unwillkürlich vorstellte, wie eine Kugel durch ihren Kopf raste, schluckte Beth.
Wo war Amber? Was war an Deck passiert?
Nach einer Weile wurde Sandy unruhig und hielt das Warten nicht länger aus. Sie kroch zum Durchgang der Kabine und duckte sich.
“Brad?”
Keine Antwort.
Sandy kroch hinaus, kam aber sofort wieder zurück. Hinter ihr konnte Beth sehen, dass noch jemand an Bord war.
Vor Erstaunen weiteten sich ihre Augen. Es war Keith. Tropfnass und mit Brad im Schwitzkasten.
“Brad!”, schrie Sandy.
“Ich will ihn nicht töten”, sagte Keith. “Aber Sie geben mir besser Ihre Waffe, Sandy, und dann wenden Sie das Boot.”
Wieder fühlte Beth die Waffe an ihrem Gesicht. Sie sah, wie Keiths Mund sich verhärtete und seine Haut eine Spur blasser wurde. Aber er wich keinen Zentimeter zurück.
“Glauben Sie mir. Wenn Sie sie erschießen, breche ich ihm das Genick. Ich kann das ohne Weiteres, und ich wette, das wissen Sie auch.”
“Und ich kann Beth erschießen und dann Sie!”, warnte Sandy und richtete die Waffe auf Keith.
“Sind sie dafür wirklich kaltblütig genug?”, fragte er. “Und wissen Sie eigentlich”, fügte er hinzu und warf Beth dabei einen vielsagenden Blick zu, “dass Amber längst auf dem Weg nach Hause ist?”
“Sie wird ertrinken!”
“Das glaube ich nicht. Sie ist eine erstklassige Schwimmerin. Und sie trägt eine Schwimmweste.”
Allmählich kehrten Beths Lebenskräfte zurück. Amber würde es ganz sicher schaffen. Sie war ein Stehaufmännchen. Sie würde Hilfe holen. Bei diesem Gedanken setzte Beths Körper eine Ladung Adrenalin frei. Sie grub ihre Zähne wieder in die Fesseln und setzte all ihre Kraft ein, um sich loszumachen. Als sie ihren Arm befreit hatte und Sandy im Gesicht zu fassen bekam, hätte sie vor Glück jubeln können. Die Frau jaulte auf.
Und dann löste sich ein
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