Mörderisches Paradies
einmal.” Er stand auf und streckte sich. Ein trauriger Mann Ende fünfzig, kompakt und drahtig, mit verlebten Zügen. Beruhigend legte er eine Hand auf ihren Kopf. “Sie sind ein nettes Mädchen und sollten sich keine Sorgen darüber machen. Sie kommen bestimmt bald zurück.”
Aber sie waren doch Ihre Freunde, hätte sie am liebsten erwidert. Doch sie unterdrückte den Satz, allein schon, um ihren Job nicht zu gefährden.
Stattdessen nickte sie und fragte kurz entschlossen: “Manny, haben Sie schon einmal etwas von einem Mann namens Keith Henson gehört?”
Er runzelte die Stirn. “Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber woher, könnte ich nicht sagen. Allerdings glaube ich nicht, dass ich ihn je getroffen habe, trotzdem sagt mir der Name irgendetwas.” Sie wartete, während er überlegte. Dann schüttelte er erneut den Kopf.
“Und ein Lee Gomez?”
“Hey, wir sind hier in Miami. Hier gibt es Dutzende Leute, die Gomez heißen.”
“Aber ein Lee?”
Wieder schüttelte er den Kopf.
“Matt Albright?”
“Nein … kommt mir nicht bekannt vor.”
“Und wie ist es mit Sandy Allison oder Brad Shaw?”
Einen Moment starrte Manny sie an, runzelte die Stirn und zog an seiner Zigarre. “Was soll das denn heute, Beth? Tausend Fragen und all diese Namen? In der Gegend hier leben drei Millionen Menschen.”
Sie errötete. “Das sind Leute, die wir auf der Insel getroffen haben.”
“Süße, seit Jahrhunderten fahren Leute auf diese Insel. Jede Menge. Von überall her.”
“Ich weiß. Aber der Name Keith Henson kommt Ihnen bekannt vor?”
“Ja. Aber ich habe keine Ahnung wieso.”
“Vielen Dank, Manny”, sagte sie. “Entschuldigen Sie, dass ich Sie damit belästigt habe.”
“Ich muss los, wichtiges Rendezvous heute Nachmittag”, erklärte er. “Danke, dass Sie mir Gesellschaft geleistet haben, Beth. Bis bald.”
“Oh, Manny, bitte entschuldigen Sie. Eine letzte Frage noch. Ein Mann namens Eduardo Shea hat den Monocos doch ihr Tanzstudio abgekauft. Kennen Sie ihn?”
“Aber sicher.”
“Ist er … in Ordnung?”
“Wollen Sie Salsa-Stunden nehmen?”
“Mal sehen. Aber vor allem habe ich etwas für den Club im Auge.”
“Das Studio läuft gut, seit er es übernommen hat. Das habe ich jedenfalls gehört. Außerdem ist er ein netter Kerl und ein guter Lehrer. Wollten Sie das wissen?”
“Ja, und vielen Dank für die Information.”
“Aber gern.” Schon im Gehen drehte er sich noch einmal nach ihr um. “Sie sind ein wirklich nettes Mädchen, Beth. Ich weiß, dass es zu Ihrem Job gehört, nett zu den Leuten zu sein, aber dahinter steckt bei Ihnen trotzdem eine echte Freundlichkeit. Bringen Sie sich nicht in Schwierigkeiten. Glauben Sie mir. Ich habe keine Ahnung, ob Ted und Molly noch am Leben sind. Ich weiß, dass meine Befürchtungen nicht unbegründet sind, aber auch, dass die Erklärungen der Polizei glaubhaft klingen. Man hat mir klargemacht, dass ich rein gar nichts tun kann. Sie sollten sich ein Beispiel daran nehmen.”
“Danke, Manny”, erwiderte Beth. “Sie sind auch ein wirklich netter Kerl.”
Er zwinkerte. “Aber Sie sind hübscher. Einen schönen Tag noch, Beth.”
Zum Abschied winkte Beth ihm noch einmal zu und stand dann auch auf. Als sie auf ihrem Rückweg durch das Restaurant ging, sah sie Amanda, die mit ein paar Frauen an einem Tisch saß. Heute trug sie ein weißes Kostüm und einen weißen Hut mit breiter Krempe.
Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Beth und hoffte, unentdeckt zu entkommen. Aber in genau diesem Moment sah Amanda auf, und Beth stöhnte innerlich. Garantiert würde sie irgendetwas sagen. Und dabei ihr Bestes tun, damit es so aussah, als würde Beth ihren Job nicht richtig machen.
Aber Amanda starrte sie einen langen Moment einfach nur an und sah dann wieder weg, als hätte sie Beth gesehen und sogleich wieder vergessen.
Erleichtert kehrte Beth in ihr Büro zurück. Dort angekommen, hielt sie einen Moment inne. Die Tür stand einen Spalt weit offen. Dabei hätte sie schwören können, dass sie sie beim Hinausgehen zugemacht hatte. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Doch dann schüttelte sie den Kopf. Lächerlich. Sicher war irgendein Mitglied heraufgekommen, um mit ihr zu sprechen, und hatte die Tür nicht ganz geschlossen. Vielleicht war auch der Präsident noch einmal zurückgekommen.
Allmählich benahm sie sich wirklich lächerlich, dachte Beth und musste über sich selbst lächeln.
Trotzdem – als sie das Büro
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