Mörderisches Paradies
hatte.
“Du kennst ihn!”, rief sie und drehte sich vorwurfsvoll zu ihrer Freundin um.
“Wen denn?”, fragte Ashley unschuldig.
“Das ist Keith Henson, den du da anstarrst. Und das weißt du, weil du ihn kennst!”
“Ich weiß gar nicht, wovon du redest.”
Beth war sicher, dass ihre Freundin aus irgendeinem Grund, der wahrscheinlich mit Polizeiarbeit zusammenhing, nicht die Wahrheit sagte.
“Hast du sein Gesicht auf irgendeinem Steckbrief gesehen?”, bohrte Beth.
“Nein”, erwiderte Ashley.
“Ashley …”
“Ich kenne ihn nicht”, behauptete Ashley. “Aber wenn er ein Freund von dir ist, warum rufst du ihn dann nicht und lädst ihn an unseren Tisch ein?”
“Du lügst.”
“Beth, wenn du lieber allein mit ihm sprechen willst, kein Problem.”
“Ashley, was zum Teufel geht hier vor?”
“Ich weiß nicht, was du meinst”, beteuerte Ashley.
“Du kannst zwar wunderbar zeichnen, aber du bist eine lausige Lügnerin”, sagte Beth, mühsam beherrscht. “Ist er ein Bulle?”
“Wer?”
“Ashley, hör auf damit! Ist er ein Bulle?”
“Nicht dass ich wüsste.”
“Also kennst du sein Gesicht doch von irgendeinem Steckbrief!”
“Beth, hör auf, dir Sorgen zu machen. Ich habe den Kerl angesehen, weil er verdammt gut aussieht. Den würde ich gern mal zeichnen.”
“Du bist eine verdammte Lügnerin.”
“Anscheinend bist du völlig verunsichert, weil er hier aufgetaucht ist. Geh und sprich mit ihm.”
“Das hatte ich auch vor”, erwiderte Beth, stand auf und lief geradewegs zum Steg hinüber.
“Guten Morgen”, sagte sie.
“Hallo.” Weil er sich angesprochen fühlte, sah der Fischer, der immer noch mit seinem Fang beschäftigt war, auf.
Sie lächelte ihn an und schaute Keith dann erwartungsvoll ins Gesicht.
“Eine Freundin von Ihnen?”, fragte der Mann Keith.
“Beth Anderson, das ist Barney. Barney, Beth. Barney ist einer von denen, die sehr früh rausfahren und früh wieder zurück sind”, sagte Keith freundlich.
“Ein bisschen so wie du also?”, fragte sie und versuchte krampfhaft, ihr Lächeln echt aussehen zu lassen.
“Dann sind Sie auch ein Frühaufsteher, wie?”, wollte Barney wissen.
“Ein viel beschäftigter Mann, auf beim ersten Sonnenstrahl, immer auf dem Sprung, um irgendwen zu treffen”, erklärte Beth.
“Hört sich nach einem tollen Leben an”, fand Barney. Keith schaute Beth an, doch hinter der Sonnenbrille ließ sich der Ausdruck in seinen Augen nur erahnen. Genau wie Beth bemühte auch er sich, freundlich auszusehen.
“Von allem immer nur das Beste”, stimmte Beth Barney zu. “Ach, Entschuldigung. Störe ich bei irgendwas?”
“Wir haben uns nur über Boote unterhalten”, erklärte Barney. “Hier in der Gegend gibt es ausgesprochen schicke Exemplare, wissen Sie. Meine ‘Sheba’ hier ist ein robustes altes Mädchen, aber mit ihr fange ich so viel Fisch, wie ich brauche.” Er grinste ein nahezu zahnloses Grinsen. “Und die verkaufe ich dann an den guten alten Nick da oben.”
“Das ist gut für Sie. Nick geht gern auf Nummer sicher, dass sein Fisch auch frisch ist. Wollen Sie die Tagesausbeute versuchen, Keith?”, fragte Beth.
“Später. Ich habe schon gefrühstückt”, erwiderte Keith.
“Ach ja, richtig. Ich habe Sie bei der Schlacht am Büfett gesehen.”
“Ich weiß.”
“Nun, dann entschuldigen Sie mich bitte”, sagte Beth mit leicht gepresster Stimme. “Ich will die Herren nicht weiter aufhalten. Schönen Tag noch.”
Und damit drehte sie sich um und marschierte davon. Plötzlich war sie so wütend – auf ihn genauso wie auf sich selbst –, dass sie gar nicht mehr an Ashley dachte, sondern geradewegs zu ihrem Auto lief, einstieg und wegfuhr.
Mit sorgenvoller Miene sah Keith Beth nach. Mochte sie noch so souverän und locker geklungen haben, er wusste, dass sie wütend war.
Und das tat ihm leid.
Er sah zu den Tischen hinüber, von wo aus Ashley beobachtete, wie ihre Freundin verschwand.
Dann bemerkte er, dass das Pärchen, das an der Hauswand im Schatten gesessen hatte, ebenfalls aufstand.
Auch sie gingen zum Parkplatz.
Er stutzte. Doch er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ein Mann mit Glatze und eine Frau mit ziemlich langem Haar.
Ich habe sie noch nie gesehen, dachte er erneut. Sie sind einfach nur zum Brunchen hergekommen und brechen jetzt wieder auf. Merkwürdig. Irgendetwas an dem Paar kam ihm trotz allem bekannt vor.
Verwirrt zögerte er einen Moment. Lee würde sich wundern, was eigentlich los
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