Mörderspiel
natürlich!“ bedauerte V.J. ihn. „Armer, armer Junge!“
„Vielleicht war ich das“, sagte Thayer und rieb sich das Kinn.
„Hast du dich auch beim Rasieren geschnitten?“ fragte Anna Lee.
„Ja. Es sprudelte wie eine Quelle, direkt unter dem Kinn.“
„Vielleicht sollten wir vor unserem nächsten Zusammentreffen erst mal alle an einem Barbierkongress teilnehmen“, schlug Joe vor. „Ich habe mir gestern auch ein paar Schnitte beigebracht. Lag wohl an der schwachen Beleuchtung.“
„Das sieht nach mehr Blut aus, als es ein Rasierschnitt hinterlässt“, stellte Sabrina versonnen fest.
„Wer immer verletzt ist, wird seine oder ihre Wunde sicher bald entdecken“, meinte Thayer.
„Wir sollten hineingehen und uns aufwärmen, bevor noch jemand Frostbeulen bekommt“, schlug Jon vor.
„Haben wir noch genügend Holz, um das Feuer in der Bibliothek am Brennen zu halten?“ fragte Thayer ihn.
„Haben wir“, bestätigte er. „Wir haben einen Lagerraum im Kellergewölbe. Willst du mir zur Hand gehen?“
„Sicher.“
„Ich plädiere für heiße Bäder“, verkündete V.J. „Ihr Männer kümmert euch darum, dass das Haus warm und gemütlich bleibt, und wir Ladies sorgen für unser Wohlbefinden und sind gleich wieder unten.“
Sie gingen alle ins Haus zurück. Jon, Thayer und Joe begaben sich unverzüglich zur Kellertreppe. Sabrina folgte Reggie hinein, merkte dann aber, dass Joshua zurückblieb und sich niederbeugte, um das Blut im Schnee zu betrachten.
„Was ist los?“ fragte sie ihn.
Erschrocken sah er zu ihr auf. „Nichts.“ Er wirkte ertappt. „Ich hoffe nur, dass der, der das Blut verloren hat, seine Verletzung bald bemerkt.“
„Vielleicht sieht es nach mehr aus, als es tatsächlich ist. Warum sollte jemand eine Verletzung verbergen?“
Joshua erwiderte grinsend: „Ich kenne mich mit hartgesottenen Krimiautoren nicht so aus. Vielleicht wollte jemand nicht als Memme gelten. Ich hingegen… nun ja, meine Hände sind mein Werkzeug. Wenn ich einen Papierschnitt habe, versorge ich den sofort.“
Sabrina lachte kurz und fügte ernster hinzu: „Joshua, als Brett abgeworfen wurde, sind Sie zurückgegangen und haben sich die Sturzstelle genau angesehen, als sei etwas nicht in Ordnung gewesen.“
„Na ja, da war ja auch etwas nicht in Ordnung. Brett wurde abgeworfen, und er hat sich verletzt.“
„Nein, das meine ich nicht…“
Er zögerte einen Moment, seine Miene verriet nichts, dann beteuerte er achselzuckend: „Es war wirklich nichts. Ich musste einfach nachsehen. Künstlerische Neugier, wissen Sie.“ Er zuckte wieder die Achseln.
Sabrina hatte das deutliche Gefühl, dass er log. Da war etwas gewesen. Etwas, das er nicht erzählen wollte.
Er richtete sich auf. „Sie sollten sich den Ladies anschließen und duschen, während ich mich den Männern anschließe und unten im Keller Holz hole“, schlug er lächelnd vor.
Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich kann auch beim Holzholen helfen.“
„Danke für Ihr Angebot. Aber glauben Sie nicht, dass sechs stramme Jungs genügend Muskelkraft aufbieten?“
„Na ja, ich wollte eben nicht sexistisch sein.“
„Machen Sie’s wie V.J.“, riet er mit leichter Ironie. „Seien Sie ruhig sexistisch, wenn es Ihnen ins Konzept passt. Und jetzt gehen Sie, und wärmen Sie sich auf. Ihre Lippen sind ganz blau, und Ihnen klappern die Zähne.“
Sabrina beherzigte seinen Rat. Als sie auf dem Flur an V.J.s Tür vorbeiging, schloss die sich gerade. Ein Stück weiter machte Dianne ebenfalls die Tür zu. Einer Eingebung folgend, ging sie jedoch weiter zu Susans Zimmer und klopfte an. „Susan?“
Keine Antwort.
„Susan, ich bin’s, Sabrina. Sie können nicht ewig auf uns böse sein. Bitte kommen Sie heraus!“
Wieder keine Antwort. Sabrina versuchte, den Türknauf zu drehen. Es war abgeschlossen.
Beklommen atmete sie tief durch. Offensichtlich war Susan immer noch furchtbar wütend. Und ebenso offensichtlich konnte man nichts dagegen tun. Sie wandte sich ab und ging langsam auf ihr Zimmer zu.
Plötzlich tauchte Brett hinter ihr auf.
„Spare Wasser, dusche mit einem Freund.“
„Brett!“
Grinsend verschwand er in seinem Zimmer.
Sabrina ging in ihres und schlug gleich den Weg zur Dusche ein. Dankbar stellte sie fest, dass der Vorrat an warmem Wasser ausreichte. Es wärmte wunderbar ihre unterkühlte Haut. Da sie dummerweise ohne Handschuhe hinausgeeilt war, konnte sie von Glück sagen, sich keine Erfrierungen geholt zu haben.
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