Mörderspiel
Ihren Mund garantiert vierundzwanzig Stunden blaurot färbt – und zu guter Letzt ein Kerzenhalter. Das wär’s, Ladies und Gentlemen. Überall im Schloss werden Hinweise verteilt sein, und weitere Anweisungen für die einzelnen Personen werden Ihnen im Verlauf der Woche zukommen. Ich warne Sie alle. Der erste Mord ist für irgendwann heute geplant, also seien Sie vorsichtig. Ach ja, und wer mag, ob lebendig oder tot, kann jeden Abend um sieben zur Cocktailstunde erscheinen, worauf das Dinner um acht folgt. Dabei darf der Fall diskutiert werden. Noch jemand Kaffee?“ fragte er unvermittelt.
„Nur wenn Sie ihn vorkosten“, spottete Anna Lee trocken. „Sicher“, erwiderte Joshua. Er holte die Kaffeekanne vom
Buffet, schenkte sich eine Tasse ein, trank und ging dann weiter zu Anna Lee, um ihr nachzuschenken. Er strich sich das blonde Haar zurück, beugte sich zu ihr hinunter und neckte: „Man kann hier wirklich nicht vorsichtig genug sein.“
„Ich möchte auch noch etwas Kaffee“, bat Jon und hielt ihm die Tasse hin. „Spät eingeschlafen“, erklärte er.
„Tod durch Vergiften!“ sagte V.J. schaudernd. „Na ja, ich wollte sowieso eine Diät machen. Ohne Essen kann ich leben, aber nicht ohne Kaffee.“
„Und niemals ohne einen guten Gin und Tonic“, ergänzte Reggie.
„Nein, niemals ohne Bier“, korrigierte Brett.
„Nun ja, was Kaffee und Essen und sogar Cocktails und Bier angeht, langt ruhig zu“, bat Jon. „Das Spiel beginnt erst, wenn wir alle das Speisezimmer verlassen. Dann geht jeder für etwa eine Stunde auf sein Zimmer, damit Camy und unser Meisterbildhauer die Waffen, die wir gerade gesehen haben, verstecken können. Falls jemand die Waffe entdeckt, mit der er oder sie umgebracht werden sollte, darf er sie gegen den Killer verwenden. Aber bis dahin erlegt euch keine Zurückhaltung auf. Greift zu.“
„Wenn das so ist, hätte ich gern noch ein kleines bisschen mehr Toast“, sagte V.J. und imitierte einen leichten schottischen Akzent.
„Für mich bitte Schinken“, sagte Joe.
„Ich auch bitte noch Toast, V.J.“, rief Sabrina.
Und plötzlich hatten alle am Tisch wieder Hunger. Sie aßen wie ein Trupp Holzfäller, dem etliche Stunden Schwerstarbeit bevorstand. Doch schließlich begann einer nach dem anderen die Halle zu verlassen. Als Sabrina sah, dass Brett ging, blieb sie bewusst noch zurück, senkte den Blick und trank ihren Kaffee. Als sie den Blick hob, stellte sie erstaunt fest, dass nur noch sie und Jon im Raum waren. Er saß ihr am Tisch gegenüber und beobachtete sie.
„Es ist wirklich schön, dich wieder zu sehen“, gestand er mit leicht rauer Stimme, den prüfenden Blick auf sie gerichtet.
Zu ihrem Leidwesen merkte sie, wie unruhig ihr Herz reagierte. „Nett, dass du das sagst.“
Er lehnte sich zurück, ohne sie aus den Augen zu lassen. Ihr war, als durchbohre er sie mit seinem Blick. Deshalb suchte sie rasch nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.
„Also, bist du der Killer?“ fragte sie.
Er zog eine Braue hoch. „Redest du vom Spiel oder vom wahren Leben?“
Sie errötete. „Vom Spiel.“
„Wenn ich es wäre“, erwiderte er bedächtig, „dürfte ich es dir nicht sagen. Ebenso wenig wie du es mir sagen dürftest. Das wäre nicht fair gegenüber den anderen.“ Er beugte sich vor, und ein schwaches Lächeln umspielte seinen Mund. „Aber willst du nicht auch wissen, ob ich im wahren Leben ein Killer bin?“
Sie starrte ihn geradezu an, und das Frühstück lag ihr plötzlich schwer im Magen. „Jon, ich bin nicht hergekommen, um dich zu verhören oder unglückliche Erinnerungen zu wecken.“
„Warum nicht? Die meisten anderen sind genau deshalb hier, sowohl Freunde wie Feinde. Willst du nicht die Wahrheit erfahren? Oder bist du damals einfach nur weggelaufen, weil ich dir schlichtweg egal war?“
Sie wollte darauf nicht antworten, hielt jedoch seinem Blick stand und fragte: „Also, hast du Cassandra getötet? Was für eine Frage. Wenn du sie getötet hättest, könntest du es mir nicht sagen, oder? So gesehen besteht eigentlich kein Unterschied zwischen dem Spiel und dem wahren Leben.“
„Da besteht sogar ein großer Unterschied. In Bezug auf das Spiel darf ich dir nicht verraten, ob ich der Killer bin oder nicht. Im wahren Leben kann ich dir versichern, bei allem, was mir heilig ist, dass ich meine Frau nicht umgebracht habe. Glaubst du mir?“
„Ja.“
Er lehnte sich stirnrunzelnd zurück. „Warum? Warum solltest du mir
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