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Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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Schmerz.
    Der Moment ging vorüber. Sein Verstand wurde langsam klar. Der Nebel der Ohnmacht lichtete sich. Harry blinzelte und versuchte ruhig zu atmen. Er sah weiterhin nichts, war allerdings sicher, endlich vollends wach zu sein. Damit einhergehend kehrten Stück für Stück seine Erinnerungen zurück. Er wusste, wo er war und weshalb.
    Harry lag in einem alten Lieferwagen. Eingesperrt zusammen mit diesem komplett durchgedrehten Koch, Ari Sklaaten.
    Stojics Männer hatten sie erwischt und brachten sie nach Rotterdam. Dort würde sie Folter und Tod erwarten, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Harry kannte die Methoden seines Chefs und wagte nicht einmal daran zu denken, dass sich daran in den vergangenen zehn Jahren etwas geändert haben mochte. Für Monica indes kam jede Hilfe zu spät.
    Bevor Harry vor Verzweiflung und Erschöpfung das Bewusstsein verloren hatte, war sie von Andrej aus dem Laderaum getrieben, in die Dünen gejagt und dort umgebracht worden. Harry hatte die Schüsse gehört. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie tot war.
    Armes Mädchen.
    Der Gedanke versetzte Harry einen Stich. Er schluckte schwer. Er war machtlos gewesen, hatte nichts für sie tun können.
    „Monica … Es tut mir leid“, flüsterte er betrübt, unfähig die Tränen länger aufzuhalten. Er schluchzte. Es schmerzte in der Kehle.
    Harrys Lippen sowie der gesamte Mundraum waren ausgetrocknet. Seine Zunge glich einem spröden ledrigen Lappen. Wie lange er weggetreten war, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Genauso wenig ließ sich abschätzen, wie viel Zeit ihm in diesem Leben bliebe, obwohl er das eigentlich auch gar nicht wissen wollte. Derzeit lebte er und zumindest vorläufig waren sie noch unterwegs.
    Als er einigermaßen zur Ruhe gekommen war, setzte sich Harry auf. Er lehnte den Rücken gegen die massive Fahrzeugwand. Obwohl sie unangenehm vibrierte und er bei jeder Kurve unsanft an ihr entlang rutschte, war es auf diese Weise bes ser, als mit dem Gesicht in ölgetränkten Sägespänen auf der stinkenden Ladefläche zu liegen.
    Weil die nachtschwarze Düsternis ihm der Sinneseindrücke seiner Augen beraubte, horchte er angestrengt.
    Motorbrummen, das Geräusch rollender Reifen und das war ‘s.
    Im Fond des Lieferwagens herrschte Stille, keine Stimmen (nicht einmal Musik aus dem Radio) und selbst Ari Sklaaten - der Wahnsinnige, der mit Sicherheit irgendwo in der Nähe hockte - war nicht zu hören.
    Harry lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Die Eindrücke der letzten Stunden und Tage hatten ihn gezeichnet. Sie schwelten in seinem Unterbewusstsein, um bei jeder Gelegenheit mit Gewalt in seine Gedanken zu drängen. Bilder tauchten auf und flogen an seinem inneren Auge vorbei; eines schlimmer als das andere. Er ließ die Tortur über sich ergehen und versuchte nicht ihr zu entkommen. Sie würden ihn ohnehin nie mehr loslassen, und ob er sie jetzt oder später erduldete, spielte überhaupt keine Rolle mehr in dieser Nacht.
    In was bin ich da nur hineingeraten? fragte er sich stumm, als die Bilder langsam abflauten und ihn in einer seltsam beunruhigenden Leere zurückließen.
    „Womit habe ich das alles verdient? Womit hat Monica den Tod verdient? Und Inga? Und was wird jetzt werden? Ist der Fluch, von dem die alte Frau gesprochen hat, real oder nur ein Hirngespinst? Lebe ich noch lange genug, um das herauszufinden?“
    Es waren zu viele Fragen. Und es war müßig, nur eine davon beantworten zu wollen. Vermutlich gab es auf die meisten davon ohnehin keine Antworten.
    Harry war dem Tod mindestens einmal öfter von der Schippe gesprungen, als er je zu hoffen gewagt hätte. Sein Glück, wenn man in dieser unseligen Situation überhaupt davon sprechen wollte, war längst ausgereizt. Das bisschen Hoffnung, das ihm Inga zuletzt eingeflößt hatte, war dahin.
    Es gab für ihn keine Hoffnung mehr; jetzt nicht mehr.
    „Zu viel Grübeln hilft nicht“, zischte eine Stimme ganz nah bei seinem Ohr. Erschrocken zuckte Harry zusammen und riss die Augen auf. Ari Sklaaten hatte sich unbemerkt genähert und hockte jetzt irgendwo rechts neben ihm. Sehen konnte Harry ihn nicht. Dafür verriet ihm seine Nase, dass er dort war. Der Gestank nach fauligem Wasser und Fisch war unverwechselbar.
    „Ich grüble nicht“, sagte Harry leise. „Und was weißt du schon … du Freak?“
    „Ich sah’s in deinem Gesicht, Harry Romdahl. Und ich weiß einiges mehr als du. Bin weit weniger freaky, als du vielleicht

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