Möwenspur
dorthin um
Ewen zu treffen. Er hatte dieses seltsame Bauchgefühl, das ihm normalerweise immer signalisierte, dass
ein Fall eine Wendung nahm oder dem Ende entgegen
ging. An ein Ende dachte in diesem Fall nicht, eher an
eine Wendung.
Als er in Quimper eintraf und sich zum Büro seines
Kollegen durchgefragt hatte, begrüßten sie sich
freundschaftlich. Inzwischen hatte er alle Ressentiments des Anfangs abgelegt.
„Es gibt eine Reihe von neuen Informationen Marc.
Wir haben uns am Morgen mit Julie Guillo unterhalten. Dabei sagte sie uns Mehreres. Zum einen kannte
sie ihren Spitznamen Lolita, zum anderen haben wir
von ihr erfahren, dass ihr Vater eine Fischmehlfabrik
hat. Damit hätte sie keinerlei Schwierigkeiten an
Fischabfälle zu kommen. Darüber hinaus ist ihr Aussehen auch nicht so, dass es Männer abstoßen würde.
Sie würde durchaus in unser Profil passen. Da wir
natürlich keinen Grund hatten sie sofort festzunehmen
habe ich beschlossen sie überwachen zu lassen. Ob es
viel bringt kann ich noch nicht sagen.
Dann hast du vielleicht auch schon von deinem Kollegen erfahren, dass man nun endlich den richtigen
Jean-Marie Morvan ausfindig gemacht hat, in Toulouse?“
„Nein, das wusste ich noch nicht, aber ich habe auch
noch nicht mit Paris telefoniert.“
„Nun, deine Kollegen haben ihn zwar ausfindig gemacht, er arbeitet bei Airbus, aber er ist zurzeit im
Urlaub. Seine Sekretärin konnte uns nicht sagen wohin er gereist ist. Sein Mobiltelefon ist schon seit heute Morgen ausgeschaltet.“
„Das mit der Überwachung hätte ich genauso gemacht, Ewen. Bei diesen Verdachtsmomenten kann
man gar nicht anders handeln. Mir macht aber die
Unerreichbarkeit von Jean-Marie Morvan Kopfzerbrechen. Mir wäre wesentlich wohler, wenn man ihn
hätte informieren können. Noch besser wäre es gewesen, ihn in Haft zu nehmen wegen der Vergewaltigung. Aber jetzt ist es eben so. Hoffen wir, dass er
gesund aus dem Urlaub zurück kommt. Die beiden
Kommissare sahen nochmals die Aussagen durch, die
die Bewohner zwischen Raguénez und der Bucht von
Rospico gemacht hatten.
„Haben die Kollegen alle Bewohner erreicht oder waren manche Häuser auch unbewohnt?“ Marc dachte
darüber nach, dass vielleicht auch ein Haus benutzt
worden sein konnte, das zurzeit nicht bewohnt war.
„Nein, wir konnten nicht alle Bewohner befragen. Es
sind etwa neun Häuser, die zurzeit unbewohnt sind.
Die Besitzer sind nur während der Urlaubszeit oder an
längeren Wochenenden da. Alle anderen sind befragt
worden.“
Marc blätterte in den Unterlagen und überflog die
Aussagen. Es fiel ihm nichts auf, was einer Nachfrage
wert gewesen wäre. Die Bewohner hatten übereinstimmend ausgesagt, dass ihnen keine Besonderheiten
aufgefallen waren. Fremde Fahrzeuge oder unbekannte Menschen waren niemandem aufgefallen.
Dieser Fall war eine echt harte Nuss. Der oder die
Mörderin war nicht nur gerissen, sondern auch so vorsichtig, dass sie oder er keine Spur zurückließ. Marc
wollte das einfach nicht in den Kopf. Er konnte sich
an keinen Fall erinnern, bei dem es nicht wenigsten
ein Haar gegeben hatte. Aber selbst das sprichwörtliche ‚Haar in der Suppe‘ fehlte hier. Die Spurensicherung unterzog den Anzug, die Hosen und die restlichen Kleider einer genauen Untersuchung, aber es war
einfach nichts Verwertbares zu finden gewesen. Einzig am Jackett von Robert Le Floch, dem letzten Opfer, gab es Spuren von einem Wachs, den man häufig
bei Jacken benützt die dem Regen ausgesetzt sind. Die
Besitzer von Barbour Jacken benutzten ein solches
Wachs. Also gab es doch eine kleine Spur. Marc
sprach Ewen auf das Wachs an.
„Du hast bestimmt auch schon gelesen, dass man bei
Robert Le Floch Wachs an seinem Anzug fand. Das
wäre wenigstens eine kleine Spur. Wenn wir jetzt bei
einem Verdächtigen dieses Wachs finden, dann können wir feststellen, ob es die gleiche Zusammensetzung hat. Je nach Alter des Wachses bilden sich doch
andere Stoffe. Damit müsste man einen Träger identifizieren können.“
„Das habe ich überlesen.“ gab Ewen freimütig zu. Wir
haben noch nicht überprüft ob Julie Guillo eine solche
Jacke besitzt. Das werden wir aber sofort nachholen.“
Ewen ging ans Telefon, rief seinen Kollegen an und
bat ihn, das zu überprüfen.
Marc Louvin hatte inzwischen weiter in den Unterlagen geblättert.
„In diesen Ausdrucken des Chat-Protokolls, das mein
Mitarbeiter euch zukommen ließ, steht doch als Berufsangabe dieser Lolita 23, Chefsekretärin und sie
deutet an, dass sie
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