Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
wissen, warum man dich hierhergebracht hat. Ich war Bote, ich bin gestürzt. Und deshalb bist du jetzt hier? Ich sollte jemandem etwas bringen. Die Lilien? Ja, die waren für irgendeine Dame, eine Nachricht war auch dabei. Und dann hatte ich noch ein Buch, das sollte ich einem Herrn bringen. Aber ich weiß nicht mehr, wie er heißt und wo er wohnt. Und das Buch hast du genauso gestohlen wie die Lilien? Djibrail schüttelt den Kopf. Hör’ auf, fordere ich Faruq auf, und ausnahmsweise lässt er tatsächlich von seinem Opfer ab. Warum bist du eigentlich hier, wendet er sich mir zu. Weil ich fünf solche Typen wie dich auf dem Gewissen habe, gebe ich zurück. Ich werde mal Dr. Idaulambo fragen, sagt er, und es knallt die Tür, es wackelt das Haus. Faruq, bist du varruckt, schimpft Schwester Tanja. Ja, Schwester Tanja, das ist er, das ist er, und ich bin der einzig Normale in diesem Haus!
Faruq wendet sich tatsächlich an Dr. Idaulambo, doch der verweigert natürlich die Auskunft. Das unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht, entgegnet er mit ernster Miene. Chefarzt Dr. Idaulambo sagt überhaupt alles mit ernster Miene, eine andere besitzt er nicht. Für mich selbst gilt natürlich keine Schweigepflicht, ich unterliege vielmehr der Pflicht zu reden, ich muss wie immer Zeugnis ablegen. Die hochoffizielle chefärztliche Diagnose, der ich meine Einlieferung in dieses Etablissement zu verdanken habe, lautet Dissoziative Identitätsstörung als Reaktion auf mehrfache Traumatisierung, verbunden mit einer offenbar genetisch bedingten Hypomanie. Klingt beeindruckend, nicht wahr?
Und was gedenkt man für meine »Heilung« zu tun? Einerseits gibt es da ein paar bunte Pillen, rote, grüne, gelbe, braune, deren Einnahme ich, genauso wie die zu behandelnde Krankheit, natürlich nur vortäusche, andererseits möchte man dem Übel in mir per Hypnotherapie zu Leibe rücken. Entspannen Sie sich, monotoniert Dr. Idaulambo. Ich liege in seinem Behandlungszimmer auf der Couch, im Hintergrund läuft eine CD mit seltsamen Gesängen, ich tippe auf röhrende Hirsche im Verein mit balzenden Walen. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem, verlangt der Chefarzt, ich zähle jetzt von hundert herunter, und Sie schließen bei den geraden Zahlen die Augen, bei den ungeraden öffnen Sie sie. Si, si, Dottore mio, antworte ich, wird gemacht, Herr Doktor, und ich schließe die Augen und öffne sie wieder, und ich schließe und öffne und öffne und schließe, und bald ist Dr. Idaulambo in Trance verfallen. Gleich bei der ersten Sitzung dringen wir gemeinsam in die tiefsten Tiefen der chefärztlichen Gefühlswelt vor, wo wir einer überaus dominanten Mutter und einem furchtsamen Vater begegnen. Wenzel, ja, so lautet der Vorname des Herrn Doktors, Wenzel, lockte die Mutter, sei ein braver Bub und gib der Mama einen Kuss. Und dann, sagt Dr. Idaulambo, dann war da immer dieser riesengroße rote Lippenstiftmund, der mich zu verschlingen drohte. In der zweiten Sitzung geht es um ebendiese Verschlingung, die der Arzt stockend und unter heftigen Zuckungen seines Leibes beschreibt. Beim dritten Mal wird es schließlich amüsant, Dr. Idaulambo beginnt nämlich, seine angeblich zahlreichen erotischen Abenteuer bis ins kleinste Detail zu schildern, und sie betreffen, so jedenfalls berichtet er, nicht nur seine drei Exfrauen, sondern auch sämtliche Kolleginnen im Haus sowie das gesamte Schwesternteam. Rote Stöckelschuhe, sagt er und fährt sich mit der Zunge über die Lippen, rote Stöckelschuhe und dazu die weiße Schwesterntracht, Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mich das erregt! Die Zunge kommt nicht zur Ruhe, die Hände reiben aneinander. Einmal hab’ ich sogar Schwester Maria über den Behandlungstisch gezogen, stellen Sie sich vor, Schwester Maria! Sie hat nicht nur einen Arsch wie ein Pferd, sie wiehert im Bett auch wie ein Ross! Ich muss die Sitzung vorzeitig abbrechen, denn des Chefarzts schöne Schilderungen werden nicht nur zunehmend obszöner, sondern auch immer lauter. Ich hab’ ihr meinen Schwanz in den Arsch gerammt, dass sie drei Tage kaum gehen konnte, brüllt er und bricht in irres Gelächter aus. Natürlich beende ich alle Sitzungen mit vorschriftsmäßiger Exduktion, der Herr Chefarzt weiß also danach nichts mehr von seinen Enthüllungen. Es geht mir schon viel besser, Herr Doktor, bedanke ich mich und verabschiede mich artig.
Irgendwie scheint der gute Mann aber doch das Gefühl zu haben, mit Hypnotherapie bei mir nicht den
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