Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
kaufst, bekommst du mich gratis dazu, und ich mache alles, aber auch wirklich alles für dich. Meine Schwestern haben diesen Gabbeh geknüpft, sie haben sehr wenig Geld dafür bekommen und wurden geschlagen, wenn sie nicht schnell genug waren. Das ist vielleicht hart, aber dafür ist der Teppich umso weicher – fühl mal, wie flauschig er ist!
Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Ratlose, irritierte, erboste Kunden wenden sich an die Info-Tische in den jeweiligen Abteilungen. Wovon sprechen Sie, Wie bitte, Wollen Sie sich über mich lustig machen, so lauten die ebenso ratlosen, irritierten und erbosten Reaktionen der Angestellten. Natürlich haben wir uns jeweils so positioniert, dass uns Letztere nicht sehen können, und wenn sie dann gemeinsam mit den Kunden Ausschau nach uns halten, sind wir längst fort. Natürlich gibt es auch Kunden, die sich für die neuen Produkte interessieren. Die meisten Anfragen gibt es zu Ninos Komfortsessel mit dem großzügigen Stellungsangebot, doch auch Tomo, der lebende Geschirrspüler, findet großen Anklang. Ich selbst wäre fast von einer üppigen, mit reichlich Schminke und Parfüm behafteten Matrone davongeschleppt worden, ich gebe zu, ohne Kamals und Tomos tapferes Einschreiten wäre ich mittlerweile wohl in der Walküre waberndem Wohngehege gefangen und – im besten Fall – mit Kleidungsstücken an allen fünf Gliedmaßen behängt.
Nach diesem gelungenen Auftritt, der natürlich wieder Niederschlag im Zeitungswald findet, ist es Zeit für Größeres. Um die mediale Aufmerksamkeit weiterhin zu behalten beziehungsweise zu steigern, liebe Genossinnen und Genossen, müssen wir unsere Arbeit auf eine neue Ebene bringen, eine neue Qualität ist gefragt. Die Genossinnen und Genossen lauschen andächtig, während ich über die Notwendigkeit neuer Maßnahmen referiere, um schließlich die nächste Aktion anzukündigen: die Entführung der Bundesabschiebeministerin.
Es folgen ein paar Sekunden Schweigen nach dieser Ankündigung. Du bist verrückt, durchbricht Tomo schließlich die Stille, andere stimmen ähnliche Töne an, Nino sagt nichts, sondern tippt sich nur an die eingebeulte Stirn. Ich warte lächelnd ab, bis sich die ersten Abwehrreaktionen gelegt haben, natürlich, damit war zu rechnen, die Welt ist schließlich voller Kleingeister, dann erläutere ich meinen Plan in allen Einzelheiten. Das Lösegeld, schließe ich meinen Vortrag, wird natürlich zur Verbesserung der Asylwerber- und Flüchtlingsbetreuung verwendet. Und wenn sie nicht zahlen, fragt der ungläubige Tomo. Tue deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig, empfehle ich ihm, und glaub’ mir, sie werden zahlen – wenn nicht, dann wird die Frau Ministerin einfach abgeschoben. Es gibt Gelächter und Applaus. Wohin du willst abschieben, will Nino wissen. Wohin würdest du sie denn gerne abschieben, Ninotschka, nach Georgien? Nein danke, wehrt sie ab, sicher nicht. Nigeria, wende ich mich fragend an Oma, sie schüttelt den Kopf. Tschetschenien, probiere ich es bei Murad, auch er lehnt ab. Ich befrage alle anderen Anwesenden, doch deren Boote sind leider, leider alle voll. Tja, meine Lieben, dann bleibt nur noch der Mond. Wieder Gelächter und Zustimmung. Gute Idee, meint Kamal mit ernster Miene, aber wie willst du machen? Sie werden zahlen, beruhige ich ihn. Und wo willst du verstecken, fragt Tomo. Die Ministerin, meinst du? Im Kohlenkeller von Djamilas Schule, der hat sich schon einmal bewährt.
Am Ende unserer Zusammenkunft habe ich zwar nicht alle überzeugt, doch das ist auch gar nicht nötig. Wir sind vier, das ist genug, wir stehen für die vier Elemente, Rotkäppchen für das Feuer, Kamal das Kamel für die Erde, die federgleiche Nicoleta für die Luft, ich, Djibrail, bin der Geist über den Wassern.
Ich habe die nötigen Vorarbeiten längst erledigt, ich kenne der Ministerin Wege, ihre Pläne sind mir bekannt, wir können also schon ein paar Tage später zur Tat schreiten. Sie steigt vor ihrem Haus aus dem Wagen. Wagen wir’s, gebe ich das Signal zum Angriff, und mit elementarer Kraft fallen wir über sie und ihre Mannen her, schon ist sie mitsamt Gefährt in unserer Gewalt, geblendet und starr vor Angst bleiben die Wächter des entführten Leibes zurück, und wir fahren davon, und der Sieg, er ist unser, und das himmlische Licht nimmt uns auf und umfängt und durchdringt uns.
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Schwester Tanja verzehrt sich nach mir, ich weiß es, sie hat ja
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