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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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Ministerin freigekommen, frage ich Nino, die bald darauf zu Besuch kommt. Sie ist gestorben. Das weiß ich, Ninotschka, aber wo und wann? Woher soll ich das wissen? Du warst doch bei der Entführung dabei. Entführung? Sie blickt mich entgeistert an. Du spinnst, Ali! Willst du abstreiten, dass du dabei warst? Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Sie hält die Hände vor dem Vier- oder Fünfmonatsbäuchlein verschränkt, als wollte sie ihr Kind vor mir schützen. Und was ist mit dem Lösegeld? Haben sie gezahlt? Ich sage doch, du spinnst, du tickst nicht ganz richtig.
    Auch Nicoleta besucht mich. Ich kann mich nicht erinnern, lautet ihre Antwort, als ich sie auf die Entführung anspreche. Und was ist mit dem Lösegeld? Ich weiß es nicht. Du solltest zum Arzt gehen, wenn du solche Gedächtnisausfälle hast, rate ich ihr. Kamal, der Vierte im Entführungsbunde, lässt sich nicht blicken, am Telefon ist er nicht zu erreichen. Feigling, rufe ich, als sich seine Mobilbox meldet, du warst sicher auch nicht dabei oder kannst dich nicht erinnern, ja, wahrscheinlich kennst du mich nicht einmal, Ali, nie gehört, nein, wer soll das sein? Die weiteren Besuche von Mitbewohnern und Betreuern laufen ähnlich ab, niemand weiß etwas, keiner war dabei, und auch in den Medien dringt nichts über die Entführung nach außen.
    Das Krankenhaus liegt im Grünen, wenn auch das Grün in diesem Jahr nur sehr spärlich wächst. Jedenfalls aber ist es ruhig, und auf den Straßen zwischen den einzelnen Pavillons – mein Zimmer liegt in Pavillon 12 – fahren nur selten Autos. Nachts ist es besonders still, nur manchmal hört man jemand schreien oder weinen, nachts spaziere ich durchs Haus, ich brauche keinen Schlaf. Auch Djibrail und Faruq schlafen wenig und wenn, dann meistens tagsüber, und so führen wir oft lange nächtliche Gespräche. Faruq gibt dabei den großen Ton an, und ich lasse ihn gewähren. Er redet viel, weil er nichts zu sagen hat, zu fragen hat er dafür umso mehr. Bei mir hält er sich ein wenig zurück, doch Djibrail wird mit Fragen geradezu bombardiert. Warum isst du nichts, will Faruq wissen. Es schmeckt mir nicht. Bist du seine Krankenschwester, frage ich ihn, doch er ignoriert mich. Warum trägst du immer Blau, fragt er dann. Djibrail zuckt mit den Schultern. Das ist eben meine Lieblingsfarbe. Blau steht dir nicht, es lässt dich noch blasser aussehen, als du ohnehin schon bist. Macht nichts, sagt Djibrail und lächelt ein tapferes Lächeln. Und was sollen die Lilien? Er deutet auf Djibrails Nachttisch. Und was sollen deine Fragen, frage ich ihn, doch er bleibt mir die Antwort schuldig. Die sollte ich jemandem bringen, sagt Djibrail leise. Und warum sind sie dann hier? Du hast sie gestohlen, gib’s zu! Statt zu antworten, beginnt Djibrail zu weinen.
    Ich wäre am liebsten ein Fisch, sagt Djibrail ein andermal, oder ein Pinguin. Er bewegt den Mund wie ein Fisch, dann lacht er. Deshalb also die blaue Farbe, ätzt Faruq, damit du glaubst, du bist im Wasser, und deshalb die viele Flüssigkeit, die du in dich hineinschüttest. Djibrail fängt wieder zu weinen an. Meine Güte, du bist aber empfindlich! Entschuldigung, ich hab’s doch nicht böse gemeint, gibt Faruq sich ausnahmsweise einmal reuig.
    Ich muss ihm recht geben – Djibrail ist eine Heulboje, die tatsächlich schon beim geringsten Anlass anschlägt: wegen Faruqs rauer Art, wegen einer toten Krähe vor dem Haus, wegen Fernsehmeldungen über Verkehrsunfälle oder Naturkatastrophen. Er kann sich allerdings auch über die kleinsten Dinge freuen wie ein Kind. Siehst du diese Wolke da oben, fragt er mich einmal ganz aufgeregt, siehst du sie, Ali? Ja, Djibrail, ich sehe sie. Ist sie nicht wunderschön, will er wissen, und er lacht und freut sich, und seine Augen folgen minutenlang dem Wolkenschiff auf seinem Weg durch den Abendhimmel. Bei Regen gerät er erst recht aus dem Häuschen. Er darf nicht aus dem Haus, und so sitzt er also auf dem Fensterbrett und versucht, so viele Tropfen wie möglich einzufangen. Der spinnt total, sagt Faruq. Pass auf, dass du nicht hinunterfällst, sorge ich mich um ihn, wenn er die Hände weit hinausstreckt. Schluss jetzt, ruft Schwester Maria und zerrt Djibrail vom Fensterbrett weg.
    Wie lange bist du schon hier, will Faruq ein andermal wissen. Ich weiß es nicht, antwortet Djibrail traurig, ich kann mich nicht erinnern. Und warum bist du hier? Djibrail zuckt mit den Schultern. Das hat man mir nicht gesagt. Aber du musst doch selbst

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