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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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braucht’s eich a nit firchten, versucht Hans die Situation ein wenig zu entschärfen.
    Um die Sache abzukürzen: Das Geld taucht natürlich nicht auf, denn wer – mit Ausnahme von Kamal vielleicht – wäre auch so blöd, es in seinem Spind zu verstecken? Dafür kommen andere Gegenstände zum Vorschein, die ein wenig Aufschluss über die Besitzer der jeweiligen Schränke geben. Bei Djaafar wird natürlich ein bisschen Rauchware gefunden, er ist Afghane, er kann nichts dafür, es ist ja allgemein bekannt, dass in Afghanistan schon die Schulkinder ihre tägliche Opium- oder Hanfration zugeteilt bekommen, wie man anderswo Fluortabletten ausgibt. Doch bis zu unseren Gefängniswärtern scheint das noch nicht durchgedrungen zu sein, Zakia ist offenbar schon zu lange aus ihrer Heimat fort, sie hat wohl so manches verdrängt und vergessen. Beim nächsten Mal ist die Polizei hier, warnt der Onkel, als er das kostbare Nougat vor Djaafars Augen der Klomuschel in den Rachen wirft, du bringst nicht nur dich selbst in Schwierigkeiten, sondern auch uns Betreuer und überhaupt das ganze Haus. Vielleicht gehört es nicht hierher, es sei aber der Vollständigkeit halber doch erwähnt, dass nämlich besagte Klomuschel an diesem Nachmittag statt der üblichen schwarzen, weißen und gelben Ärsche lauter Engel, Engel mit silbrig glänzenden Flügeln, zu sehen vermeint. In Adolphes Spind wird bei der Durchsuchung ein ganzes Alkohollager gefunden, daher wohl sein Schweißausbruch, denn Alkohol wird hier im Haus auch nicht sehr geschätzt und sogleich konfisziert, wahrscheinlich machen sich unsere werten Wärter einen schönen Abend damit. Bei Djamila, dem kleinen, lieblichen, unschuldigen, von allen umhegten Nesthäkchen, taucht die von Kamal vermisste Shakira- CD auf. Zuerst leugnet sie den Diebstahl, doch sie merkt schnell, dass diese Strategie nicht sehr weit führt. Sie stellt auf Mitleidsmodus um, dicke Tränen kullern über ihre blassen Wangen. Ich will nach Hause, schluchzt sie. Ist schon gut, tröstet Zakia, ist schon gut.
    Kamal gehört also zu den Gewinnern dieser Hausdurchsuchung. Aber Kamal wäre nicht Kamal und mithin nicht vollkommen, würde er nicht auch gleichzeitig zu den Verlieren zählen: In seinem Spind findet sich nämlich ein zartes Unterhöschen, weiß mit roten Punkten und offensichtlich nicht frisch aus dem Wäscheschrank stammend, sondern schon benutzt. Hat die Fenétration ausgerechnet bei Kamal Früchte getragen? Er läuft jedenfalls den Rest des Tages mit hochrotem Kopf herum, und die vormalige Besitzerin des rot gepunkteten Slips meldet keine Ansprüche auf das Fundstück an.
    Liu Xingjian, erzähle ich bei meinem nächsten Besuch bei der Schwarzen Köchin, war zwölf, als seine Eltern den Entschluss fassten, ihn nach Europa zu schicken. Seine Familie war arm, genauso arm, wie die meisten anderen in Suzhen, einem Dorf in den Bergen der Provinz Gansu. Besser ging es nur den wenigen, die Familienangehörige in einer der großen Städte oder im Ausland hatten. Lius Familie hatte entfernte Verwandte, die seit vielen Jahren ein Restaurant in Österreich besaßen, und so wurde beschlossen, ihn dorthin zu schicken. Die Eltern arbeiteten und arbeiteten, und sie baten Freunde und Verwandte und Bekannte, ihnen Geld zu leihen. Kurz vor Lius dreizehntem Geburtstag war es so weit. Das Geld, das für die Reise nach Europa nötig war, lag bereit, alles war organisiert, und eines Abends brachten ihn die Eltern zum vereinbarten Treffpunkt, wo ihn ein Lkw abholen sollte. Liu kann sich heute noch genau an das Kleid erinnern, das die Mutter dabei trug, und er hat auch nicht den leicht süßlichen Geruch vergessen, der ihr und ihren Kleidern stets anhaftete. Der Lkw kam, die Eltern winkten ein letztes Mal. In Yumen erwartete ihn eine Frau, die Zugfahrkarten für ihn und einige andere Jugendliche bereithielt, am nächsten Tag stieg er in einen anderen Zug, zwischendurch hieß es immer wieder warten, und so ging es tagelang, nächtelang. Liu fror, Liu schwitzte, Liu hungerte, weil es nur selten zu essen gab, vom Durst hatte er ständige Kopfschmerzen, und er wusste nie, wo er sich gerade befand. Liu wurde Zeuge, als sich drei Schlepper eines Nachts an einem jungen Mädchen aus Nepal vergingen, und er konnte nichts dagegen tun, denn die Männer waren bewaffnet. Drei Leute erstickten, als ein Lkw zwei Tage lang mit fest verschlossenen Türen in der prallen Sonne stand, das Mädchen aus Nepal war darunter. Liu hatte Glück und kam

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