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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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sie schlägt die Hände vors Gesicht. Geh’ weg, ruft sie aus. Hans wendet mir sein unrasiertes Antlitz zu. Wos woar denn los, fragt er mit strengem Gesichtsausdruck, und auch sein Diener meint, mich mit einem wichtigtuerischen Alles-was-Sie-von-jetzt-an-sagen-kann-gegen-Sie-verwendet-werden-Blick bedenken zu müssen. Ich erzähle von Nicoletas Schrei und von Gjergi, doch das Misstrauen in beider Blick weicht nicht. Hans wendet sich erneut Nicoleta zu und redet auf sie ein. Ich hab’ nichts getan, wiederhole ich. Gehst du jetz bitte in dei Zimma, fordert er mich auf, ohne sich zu mir umzudrehen. Ich bin kein ungezogenes Kind, mit dem man so sprechen kann, begehre ich auf, gebe aber schließlich um Nicoletas willen nach.
    Ich bleibe natürlich auf dem Gang vor der Küchentür stehen, von hier aus kann ich die drei zwar nicht sehen, aber weiterhin hören. Hot dir der Ali wos geton, fragt Hans. Nein, kommt Nicoletas Antwort nach einigem Zögern, nicht Ali. Und der Gjergi? Nicoleta schweigt. Hans wiederholt die Frage. Nein, antwortet sie, Gjergi nicht. Ihre Stimme zittert noch immer. Wos woar denn donn los? Nichts. Oba wieso host’n donn gschriean? Wieder langes Schweigen. Weiß nicht, antwortet Nicoleta schließlich mit kaum hörbarer Stimme. Komm, sagt Hans. Ich höre Schritte, dann Stühlerücken, ich selbst rücke noch etwas weiter von der Tür weg in die Dunkelheit des Ganges. Hans redet weiterhin beruhigend auf Nicoleta ein, Fabian oder er bringen ihr etwas zu trinken, ich verlasse bald darauf meinen Horchposten, denn Nicoleta sagt schließlich gar nichts mehr.
    Was hattest du gestern Nacht bei uns oben zu suchen, stelle ich Gjergi am nächsten Tag zur Rede. Ich weiß nicht, ob Hans oder der Onkel schon mit ihm gesprochen haben, ich treffe ihn jedenfalls bei Pitra, wo er gerade laut schlürfend seine Suppe isst. Was meinst du, gibt er verwundert zurück. Tu nicht so scheinheilig, du weißt genau, was ich meine. Ich weiß nicht, wovon du sprichst, beharrt er und stellt seinen Suppenteller auf dem Boden ab. Willst du mir vielleicht einreden, du hättest ausgerechnet gestern Nacht geschlafen und warst gar nicht im vierten Stock? Neinnein, geschlafen hab’ ich nicht, entgegnet er hastig, als wäre Schlafen eine schwere Verfehlung, die man unter keinen Umständen zugeben durfte. Er weicht meinem bohrenden Blick aus, fasst mit der rechten Hand nach seinem Stock und streicht mit langsamen Bewegungen über das dunkle Holz. Noch einmal: Was hattest du in unserer Küche bei Nicoleta zu suchen? Die Streichelbewegungen hören auf, Gjergi blickt auf und schaut mich mit seltsam entrücktem Ausdruck an. Wer ist Nicoleta?
    Pitras Zimmer ist heute voll, zu meiner Rechten fällt gerade das Wort Amulett, Manu, Manu aus Guinea-Bissau, verwendet es im Gespräch mit Pitra, er erzählt von seinem Bruder. Ich lasse von Gjergi ab, hier ist, so scheint es, nichts zu holen, doch ich werde ihn in Zukunft im Auge behalten. Sein Bruder, erzählt Manu, habe das Amulett von der Großmutter bekommen. Du darfst es nie abnehmen, hörst du, dann wird es dich immer vor dem Bösen schützen, schärfte ihm die Großmutter ein. Es habe ihm tatsächlich zumindest ein Mal das Leben gerettet, vier andere seien bei einem Autounfall gestorben, nur sein Bruder habe überlebt. Aber nun wisse er nicht, ob sein Bruder noch am Leben sei oder nicht, er habe schon so lange nichts mehr von ihm gehört, er hoffe und bete, dass das Amulett ihn weiterhin beschützen und irgendwann vielleicht auch nach Österreich bringen werde. Und Pitra streicht ein paar Mal gedankenverloren über Manus Hand.
    O Mira, o Göttin, o Madonna im Deckengebirge! Sie reckt, sie streckt, sie räkelt sich im warmen Schein der Nachttischlampe, die Decke, sie wahrt eifersüchtig das darunter verborgene Geheimnis. Doch jetzt, jetzt wird sie zur Seite geschoben, wird abgestreift, um den Blick freizugeben auf göttliches Ebenmaß. Mira liegt auf der Seite, den Kopf auf die rechte Hand gestützt, das rötliche Zausehaar fällt halblang auf Hand und Schultern herab, und in den tiefgrünen Augen verliert sich mein Blick, verliert sich sogar der Zorn über ihren Verrat. Über den schlanken Hals gleitet der Blick weiter, wird magisch angezogen von zwei wohlgeformten Hügeln und der zartesten Andeutung eines Bäuchleins, folgt der Steilkurve der Hüfte, um endlich anzukommen am Ursprung allen Lebens, im himmlischen Dreieckshain, wo Venus auf waldigen Hügeln verehrt wird.
    Ein Bildnis, bezaubernd

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