Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
hinzu.
Ich fühle, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Das können die doch nicht machen. Ich brauche diesen Job. Ich brauche das Geld!
»Aber Clarissa, ich bemühe mich doch …«, stammle ich. »Ich brauche nur ein bisschen Zeit, um meinen Kundenstamm aufzubauen, und es kommen ja auch täglich neue hinzu.«
»Das schon«, antwortet sie kühl. »Aber Ihr Job ist es vor allem, diesen Leuten auch etwas zu verkaufen.«
»Das tue ich doch«, stoße ich hervor. »Ich schicke sie zur Kosmetik, ins Solarium, zur Massage …«
»Das sind Peanuts.«
»Wie bitte?«
»Das sind Peanuts«, wiederholt Clarissa genervt. »Kleine Umsätze. Wenn Sie die Leute schon auf die Sonnenbank schicken, dann nicht einmal die Woche, sondern mindestens dreimal, und für Kosmetik und Massage gilt dasselbe. Verstehen Sie, Sie müssen den Leuten klarmachen, dass sie ihr Äußeres grundlegend verändern müssen, um Gewinner zu werden. Nehmen wir nur mal diese Frau Schuhmann, die am Montag bei Ihnen war …«
»Frau Schuhmann?«, sage ich verwundert. »Der habe ich doch eine ganze Menge verkauft. Eine neue Frisur, ein Kostüm aus unserer Boutique, und sie will sogar einen Rhetorikkurs machen …«
»Sehen Sie, das ist Ihr Problem. Sie verkaufen dieser Kundin eine Frisur und ein Kostüm, und sie will einen Rhetorikkurs machen.« Clarissa wedelt mit dem erhobenen Zeigefinger vor meiner Nase herum. »Molly, Absichtserklärungen sind noch lange kein Umsatz. Und mir ist auch aufgefallen, dass sich noch keiner Ihrer Kunden für eine Schönheits-OP eingetragen hat.«
»Eine Schönheits-OP?«
»Genau, eine Schönheits-OP. Nasenkorrektur, Facelifting, Brustimplantate, das bringt das große Geld. Nicht zu vergessen Penisvergrößerungen – die bräuchten sowieso die meisten Männer, um wirkliche Gewinner zu werden.«
»Penisvergrößerungen?«, echoe ich ungläubig. »Wie soll ich die denn verkaufen? Ich kann doch nicht sagen: Wo wir schon dabei sind, ein größerer Penis könnte Ihnen auch nicht schaden?«
»Warum denn nicht?«, gibt Clarissa ungerührt zurück. »Was glauben Sie denn, wie ich zu meiner Position gekommen bin? Ich habe Umsatz gemacht!«
Nein. Das gibt’s nicht. Sie kann den Leuten doch nicht eingeredet haben, dass sie …
Doch, sie kann. Ein Blick in ihre Augen sagt mir, dass diese Frau buchstäblich über Leichen gehen würde, um ihr Ziel zu erreichen.
Clarissa reibt sich nachdenklich das Ohrläppchen. »Natürlich müsste man das subtiler formulieren, und vielleicht sollten wir auch unsere Physiotherapeutinnen mit einbeziehen, die könnten diesbezüglich ein paar Andeutungen machen … Egal, auf jeden Fall müssen Sie mehr in diese Richtung gehen. Ihre Frau Schuhmann zum Beispiel, die hat doch eine Riesennase und Falten wie ein hundertjähriger Schimpanse …«
»Aber das stört doch nicht bei ihr«, protestiere ich. »Frau Schuhmann ist Hausfrau und sechsfache Großmutter, und nebenbei hilft sie ihrem Mann bei der Schweinezucht.«
»Na, das passt doch«, meint Clarissa. »Sagen Sie ihr einfach, dass Kinder sich vor großen Nasen fürchten und dass wissenschaftliche Studien ergeben haben, dass Schweinen … ähm … der Appetit vergeht, wenn man sie mit Falten konfrontiert.«
»Das ist nicht Ihr Ernst«, hauche ich fassungslos.
»Natürlich ist das mein Ernst.« Sie atmet tief durch. »Molly, es ist mir egal, wie Sie es anstellen, aber Sie müssen auf jeden Fall mehr Umsatz bringen. Haben Sie verstanden?«
Sie mustert mich mit der Herzlichkeit einer Kobra, und ich höre mich ganz leise »Ja, natürlich« sagen.
Dann macht sie Anstalten zu gehen, doch vorher dreht sie sich noch einmal zu mir um: »Ach, jetzt hätte ich’s fast vergessen: Es gibt da noch ein Gerücht.«
»Ja, welches denn?«, frage ich.
»Aus einer meiner Quellen habe ich erfahren, dass Philip Vandenberg, der Oberboss von Eragon, sich gerne selbst ein Bild von seinen neuesten Erwerbungen macht.«
»Sie meinen … er könnte uns einen Besuch abstatten?«
Clarissa nickt.
»Okay, kein Problem«, bemühe ich mich um Zuversicht. »Sieht doch alles ganz ordentlich aus bei uns, finden Sie nicht?«
»Ja, wenn es so einfach wäre.« Clarissa macht ein bedeutungsvolles Gesicht, glaube ich. »Philip Vandenberg ist bekannt dafür, dass er die Mitarbeiter seiner Firmen am liebsten anonym testet.«
»Das heißt, er könnte als Kunde zu uns kommen?«
»Davon müssen wir ausgehen. Und natürlich wird er sich nicht unter seinem richtigen Namen
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