Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
Ich könnte Philip Vandenberg schöne Augen machen, ihn in irgendeiner Spelunke abfüllen und ihm bei der Gelegenheit stecken, dass Clarissa eine blöde Kuh ist.
Umgekehrte Möglichkeit (Plan B): Ich könnte ihm vorlügen, was für eine tolle Führungskraft Clarissa ist, damit er sie befördert. Wodurch ihr Sessel automatisch frei würde, und die logische Nachfolgerin wäre dann – schon wieder ich.
Wobei es bei Plan B ein winziges Problem gibt: Wenn Philip Vandenberg auch nur einen Funken Menschenkenntnis besitzt, wird er mir niemals abnehmen, dass Clarissa eine gute Chefin ist. Bleibt also nur Plan A.
Wie auch immer, erst mal muss ich ihn beeindrucken.
Die wichtigsten Voraussetzungen dafür habe ich schon geschaffen: Ich habe heute mein neues, rattenscharfes Miniwickelkleid von Gaultier samt den dazu passenden hochhackigen Pumps angezogen. Alle haben sie gestarrt, alle!
Zuerst Lissy und Tessa, die mir allerdings den Tipp gaben, ein bisschen weniger Schminke aufzulegen und mir die Haare hochzustecken, um einen letzten Rest von Seriosität zu bewahren. Dann der Briefzusteller, der beinahe die alte Frau Grossek von nebenan über den Haufen fuhr, als er mich sah. Die Leute in der U-Bahn, von denen mir einer spontan einen Hunderter für die halbe Stunde anbot (er wollte Fotos für ein Modemagazin machen), ja sogar der arme blinde Bettler an der Ecke hat den Kopf herumgerissen, als ich an ihm vorbeistöckelte (Hey, Moment mal!).
Auf jeden Fall kann Philip Vandenberg nicht übersehen, dass ich eine Frau bin, und damit werde ich schon mal punkten. (Sicherheitshalber habe ich auch noch ein Stoßgebet zum Himmel geschickt, dass er nicht schwul ist, sonst schmeißt er mich gleich raus in diesem Aufzug.)
So, dann müsste ich jetzt nur noch wissen, welcher meiner Kunden eigentlich Philip Vandenberg ist.
Während der Computer hochfährt, räkle ich mich genussvoll in meinem Sessel. Ich fühle mich gut heute, so richtig gut. Seltsam. Woran das wohl liegt? An meinem Outfit? Aber das allein kann es doch nicht sein.
Dann fällt es mir ein: Mir tut heute gar nichts weh! Ein Zustand, den ich seit Längerem vermisse, genau genommen, seit Frederic mit diesem Kamasutra antanzte. Nicht, dass er gestern nicht auch was Neues ausprobieren wollte, aber da musste ich mich wenigstens nicht verrenken. Wir haben nämlich den Brummenden Bären getestet, da muss man nur … Ach, das interessiert Sie jetzt wahrscheinlich gar nicht.
Auf jeden Fall fühle ich mich völlig locker und entspannt, genau richtig, um mit den Herausforderungen des Tages fertig zu werden.
Mein Terminplaner beginnt sich vor meinen Augen aufzubauen, und ich starre gespannt auf den Bildschirm. Wir haben da ein richtig cooles System. Wenn ein Kunde anruft, landet er nicht etwa gleich bei mir, sondern erst mal in unserer Telefonzentrale. Dort hebt Gertrud ab, die hat eine irre Stimme wie diese Frauen von der Sex-Hotline, dabei wiegt sie hundert Kilo, und ihre liebsten Hobbys sind Germknödel-Kochen und Stricken. Gertrud ist direkt mit unseren Computern vernetzt, und sie tut dann immer so, als wäre es furchtbar schwer, einen Termin bei uns zu kriegen. Die Kunden sind dann ganz dankbar, wenn sie es dann doch noch irgendwie hinkriegt, und sobald Gertrud den Termin eingibt, wird er automatisch an die betreffenden Abteilungen im Haus verschickt, und für mich ist es deswegen immer ein bisschen wie Geschenke auspacken, wenn ich meinen Computer starte.
Als der Bildschirm die letzten Pixel zusammengefügt hat, läuft es mir eiskalt über den Rücken. Ich erkenne ihn sofort.
Hans Meier. Neukunde. Neun Uhr.
Also bitte, das ist doch lächerlich. Hans Meier . Das ist wie in diesen billigen Filmen, da heißt auch jeder Mr. Smith, wenn er was zu verbergen hat. Geht’s noch ein bisschen offensichtlicher, Herr Vandenberg? Also, da hätte ich mir schon mehr erwartet von einem Selfmade-Millionär seines Kalibers.
Aber was rege ich mich eigentlich auf? Ist doch gut so. Denn das kann ja nur bedeuten, dass dieser Philip Vandenberg doch nicht so clever ist, wie ich dachte. Mit dem werde ich leichtes Spiel haben, da bin ich mir sicher.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es jeden Moment so weit ist. Ich zupfe noch schnell mein Kleid zurecht und ziehe die Lippen nach.
Dann klopft es. In einem ersten Impuls will ich zur Tür hechten und sie für ihn aufreißen, doch dann fällt mir ein: Er darf ja gar nicht merken, dass ich ihn durchschaut habe, ich muss ihn behandeln wie jeden
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