Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
Vom Netzwerk:
mehr in mir selbst, ausschließlich ich selbst, steckte fester als je zuvor in der Enge meiner Haut. Mein Licht war Element einer Konstellation, dachte ich, sah nach und nach die anderen Sterne erlöschen, bis ich nun allein in meinem Universum bin, und ich fürchte mich.
    Sie sind immer noch um mich und bei mir, Meinesgleichen, meine Anderen, doch ein Band ist gelöst und ich stehe außerhalb. Ich glaubte, es läge an ihnen. Ich belauerte sie, um sie dabei zu ertappen, dass sie mich verurteilten und bestraften für die unüberlegte, hochmütige Antwort, die ich dir gab. Sie müssen mich ausgestoßen haben, folgerte ich, aber nein. Sie sind, wie sie immer waren, und körperlich bin ich ein Teil dieser Gemeinschaft. Wir verhalten uns zueinander, reden miteinander genau wie vorher.
    Nicht sie sind es, die sich abwenden, ich bin es. Ich habe mich gelöst. Ich bin allein und einsam. Was mir Angst macht, ist die Erkenntnis, dass diese Einsamkeit kein neuer Zustand ist. Ich habe in mich hineingehorcht und gemerkt, dass ich es bereits war, vorher. Wie lange schon? Wie ist das gekommen? Wann hat es angefangen?
    Bruchstücke eurer primitiven Kultur kapriolen in mir. Zu unpassenden Zeiten. Zu allen Zeiten, um die Wahrheit zu sagen. Ich verabscheue meine Emotionen – welche des Wortes würdig sind, nicht vergleichbar den banalen Aufwallungen, die ihr Gefühle nennt. Mir missfällt, dass diese meine Empfindungen mich an die Überbleibsel eurer Amüsements erinnern oder an eure manirierten Interaktionen.
    Ich denke, dass ich allein gewesen bin. Dass ich nicht wirklich dazugehörte. Sie haben mich nicht ausgestoßen, aber ich glaube nicht, dass ich wieder einer von ihnen sein kann. Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie dies alles gekommen ist. Ich kann nicht lange darüber nachdenken. Ich habe Angst zu erkennen, wie einsam ich sein werde.
     
    Da ist ein Fluchtweg. Tief unten, wo die stillgelegten Gleise sind. Ich wanderte an dem gleichen Ort wie einst kleine graue Mäuse, die schmutzstarrend kaum noch als solche erkennbar waren, sondern agilen Staubflocken glichen. Inzwischen sind sie der Fauna des Spiegels zum Opfer gefallen. An die Dunkelheit bin ich gewöhnt, sie ist wie etwas Greifbares. Ich schlug mit einem Stock gegen die Wände und die Schienen, um mich zu vergewissern, dass kein Hindernis – ein liegen gebliebener Zug, Leichen, Ziegeltrümmer – mir den Weg versperrte.
    Ich folgte dem Gleis nach Norden, sehr langsam, als wäre ich auf dem Weg, die Stadt zu verlassen.
    Ich werde eine Zeit lang umherwandern, sagte ich mir, um herauszufinden, was in meinem Innern diese Türen geschlossen hat. Als ich am Rand des Perrons liegend diesen Entschluss fasste, in der Finsternis unter Hampstead, überlegte ich, wie ich meinen Abschied bewerkstelligen sollte, und das brachte diese Fragen mit sich, ein hilfloses Erschrecken darüber, dass ich die Antwort nicht wusste. Dass solche Fragen sich stellen konnten.
    Was weiß ich? Wohin soll ich gehen? Werde ich einsam sein? Wie lange bin ich schon so gewesen?
     
    Ich werde fortgehen, für eine Weile. Du bist oft in meinen Gedanken. Dein Gesicht, deine Lampe, deine unübersehbare Angst, allein uns gegenüber. Die Fragen, die du gestellt hast, die dir nichts nützen konnten, die ich dir in Verblendung beantwortete. Da hasste ich dich und ich hasse dich jetzt, doch ich denke an dich. Weshalb wollten sie dich nicht berühren?

 

     
    Nach der Rückkehr ins Lager ließ Sholl sich von der Feierlaune, der Begeisterung anstecken. Die Soldaten waren zum Empfang angetreten, und als der Jeep vom Waldweg auf die Lichtung holperte, brachen sie in Jubelgeschrei aus. Sholl sah, wie der Kommandant in einer Aufwallung ungespielter, ungläubiger Erregung die Fäuste ballte.
    In dieser Nacht feierten sie, drehten die billigen Kassettenradios auf bis zum Anschlag und zerstampften tanzend die Erde zu Morast. Sholl feierte mit ihnen, getragen von ihrem Enthusiasmus, der allerdings, das wurde ihm klar, ein Paradox zu seiner eigenen Freude darstellte. Er war aufrichtig entzückt gewesen, dass die Soldaten auftauchten, dass man ihm einen Trupp nachgeschickt hatte. Er hatte geglaubt, auf sich allein gestellt zu sein, dabei waren sie ihm gefolgt, unbemerkt, beobachteten, wie er über die Kreuzung ging und in der Station verschwand, im Schlupfloch der Vampire. Die Ergebnisse ihrer Observierung hatten sie zurück an die Basis gemeldet und die vielen Stunden gewartet, bis Sholl wieder zum Vorschein kam, um

Weitere Kostenlose Bücher