Momo
und machte sich auf den Weg zu Ninos kleinem Lokal. „Du wirst sehen, Kassiopeia“, sagte sie, „jetzt wird sich alles aufklären. Nino weiß, wo Gigi und Beppo jetzt sind. Und dann gehen wir und holen die Kinder, und wir sind wieder alle zusammen. Vielleicht kommen Nino und seine Frau auch mit und die anderen alle. Sie werden dir bestimmt gut gefallen, meine Freunde. Vielleicht machen wir heute abend ein kleines Fest. Ich werde ihnen von den Blumen erzählen und von der Musik und von Meister Hora und allem. Ach, ich freu' mich schon drauf, sie alle wiederzusehen. Aber jetzt freu' ich mich erst mal auf ein schönes Mittagessen. Ich hab' schon richtigen Hunger, weißt du.“
So schwatzte sie fröhlich weiter. Immer wieder faßte sie nach Gigis Brief, den sie in der Jackentasche bei sich trug. Die Schildkröte schaute sie nur mit ihren uralten Augen an, antwortete aber nichts. Momo begann im Gehen zu summen und schließlich zu singen.
Wieder waren es die Melodien und die Worte der Stimmen, die in ihrer Erinnerung noch ebenso deutlich weiterklangen wie am Tage zuvor. Momo wußte jetzt, daß sie sie nie mehr verlieren würde. Aber dann brach sie plötzlich ab. Vor ihr lag Ninos Lokal. Momo dachte im ersten Augenblick, sie hätte sich im Wege geirrt. Statt des alten Hauses mit dem regenfleckigen Verputz und der kleinen Laube vor der Tür stand dort jetzt ein langgestreckter Betonkasten mit großen Fensterscheiben, welche die ganze Straßenfront ausfüllten. Die Straße selbst war inzwischen asphaltiert, und viele Autos fuhren auf ihr. Auf der gegenüberliegenden Seite waren eine große Tankstelle und in nächster Nähe ein riesiges Bürohaus entstanden. Viele Fahrzeuge parkten vor dem neuen Lokal, über dessen Eingangstür in großen Lettern die Inschrift prangte: NINOS SCHNELLRESTAURANT. Momo trat ein und konnte sich zunächst kaum zurechtfinden. An der Fensterseite entlang standen viele Tische mit winzigen Platten auf hohen Beinen, so daß sie wie sonderbare Pilze aussahen. Sie waren so hoch, daß ein Erwachsener im Stehen an ihnen essen konnte. Stühle gab es keine mehr.
Auf der anderen Seite befand sich eine lange Barriere aus blitzenden Metallstangen, eine Art Zaun. Dahinter zogen sich in kleinem Abstand lange Glaskästen hin, in denen Schinken- und Käsebrote, Würstchen, Teller mit Salaten, Pudding, Kuchen und alles mögliche andere stand, das Momo nicht kannte. Aber alles das konnte Momo erst nach und nach wahrnehmen, denn der Raum war gedrängt voller Menschen, denen sie immerfort im Wege zu stehen schien; wo sie auch hintrat, wurde sie beiseite geschubst und weitergedrängt. Die meisten Leute balancierten Tabletts mit Tellern und Flaschen darauf und versuchten einen Platz an den Tischchen zu ergattern. Hinter denen, die dort standen und hastig aßen, warteten schon jeweils andere auf deren Platz. Da und dort wechselten die Wartenden und die Essenden unfreundliche Worte.
Überhaupt machten die Leute alle einen ziemlich mißvergnügten Eindruck. Zwischen dem Metallzaun und den Glaskästen schob sich langsam eine Schlange von Leuten weiter. Jeder nahm sich da und dort einen Teller oder eine Flasche und einen Pappbecher aus den Glaskästen. Momo staunte. Hier konnte sich also jeder nehmen, was er wollte! Sie konnte niemand sehen, der die Leute daran gehindert hätte oder wenigstens Geld dafür forderte.
Vielleicht gab es hier alles umsonst! Das wäre freilich eine Erklärung für das Gedränge gewesen.
Nach einer Weile gelang es Momo, Nino zu erspähen. Er saß, von den vielen Leuten verdeckt, ganz am Ende der langen Reihe der Glaskästen hinter einer Kasse, auf der er ununterbrochen tippte, Geld einnahm und Wechselgeld herausgab. Also bei ihm bezahlten die Leute! Und durch den Metallzaun wurde jeder so gelenkt, daß er nicht zu den Tischchen kommen konnte, ohne an Nino vorbei zu müssen. „Nino!“ rief Momo und versuchte sich zwischen den Leuten durchzudrängen. Sie winkte mit Gigis Brief, aber Nino hörte sie nicht. Die Kasse machte zu viel Lärm und beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit.
Momo faßte sich ein Herz, kletterte über den Zaun und drängte sich durch die Menschenschlange zu Nino durch. Er blickte auf, weil einige Leute laut zu schimpfen anfingen.
Als er Momo sah, verschwand plötzlich der mißmutige Ausdruck auf seinem Gesicht.
„Momo!“ rief er und strahlte, ganz wie früher, „du bist wieder da! Das ist aber eine Überraschung!“
„Weitergehen!“ riefen Leute aus der Reihe, „das Kind
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