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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Ohr.
    Selbst jetzt hielt die Stille noch, obwohl sie schon ein Brennen und Stechen im Hals spürte und an Lanette denken mußte, die erklärte: Nie schnupfen das Zeug, es frißt dir Löcher rein.
    Und Mollys Rücken war kerzengerade, die Arme gestreckt ... Nicht nach dem grauen Kasten,
    sondern hinaus, hinunter mit der Pistole, der kleinen Knarre, die Mona jetzt tick-tick-tick machen hörte, dann drei Explosionen tief drunten, bestimmt mit blauem Lichtblitz, aber Mona hielt jetzt Angie, blutverschmierter Pelz streifte ihre Hände. Und sah in gebrochene Augen, deren Licht erloschen war. Weit weg, ewig weit weg.
    »He«, sagte Mona, aber es hörte keiner. Angie plumpste auf den Toten im Schlafsack. »He ...«
    Sie sah gerade noch ein letztes Bild auf dem Monitor, dann ging er aus.
    Danach war ihr lange alles egal. Es war nicht die Gleichgültigkeit gegenüber der Stille, dem kristallenen Overdrive, und es war kein Crash, nur dieses Vorbei-Gefühl, wie vielleicht ein Geist empfindet.
    Sie stand neben Slick und Molly in der Tür und schaute hinunter. Im düsteren Schein der großen, alten Glühbirne sah sie ein metallenes Spinnengebilde über den dreckigen Betonboden zuckeln.
    Es hatte große Sicheln dran, die schlugen und hackten, wenn es sich bewegte, aber da war kein Mensch, und das Ding schwirrte wie ein kaputtes Spielzeug hin und her vor dem verbogenen Eisenhaufen des kleinen Stegs, über den sie mit Angie und Cherry hereingekommen war.
    Cherry hatte sich aufgerappelt, war blaß, machte ein schlappes Gesicht, zog das Derm vom Hals ab. »Muskelrelaxans«, brachte sie mit Mühe über die Lippen, und Mona wußte, daß sie eine Dummheit begangen hatte, als sie zu helfen glaubte, aber das war immer so auf Wiz, und wieso konnte sie eigentlich nicht davon lassen?
    Weil du voll drauf bist, blöd, hörte sie Lanette sagen, aber daran wollte sie sich nicht erinnern.
    Da standen sie also und schauten hinunter, wo die Eisenspinne sich ruckend und zuckend
    verausgabte. Alle bis auf Gentry, der, die schwarzen Boots neben Angies rotem Pelz, den grauen Kasten vom Gestell über der Bahre losschraubte.
    »Horcht«, sagte Molly, »da kommt 'n Hubschrauber! 'n großer.«
    Sie war die letzte am Seil bis auf Gentry, der nur sagte, er komme nicht mit, es sei ihm egal, er bliebe.
    Das Seil war dick und schmutziggrau und hatte Knoten, die einem Halt gaben, wie eine
    Schaukel, an die sie sich noch, das war ewig lange her, erinnerte. Slick und Molly hatten zunächst die graue Kiste auf eine Plattform abgelassen, wo die Eisentreppe noch stand. Dann kletterte Molly hinterher wie ein Eichhörnchen, die wohl mehr hantelte als hing, und zurrte es ordentlich am Geländer fest. Slick kletterte langsam hinunter, weil er Cherry über den Schultern liegen hatte, deren Muskulatur noch so schlaff war, daß sie es selber nicht fertigbrachte. Mona hatte deswegen noch ein schlechtes Gewissen und fragte sich, ob das wohl der Grund sei, warum sie nicht mitgenommen wurde.
    Molly hatte das allerdings beschlossen, während sie am Fenster stand und beobachtete, wie Leute aus dem langen schwarzen Helikopter strömten und über den Schnee ausschwärmten.
    »Schaut mal!« hatte Molly gesagt. »Die wissen Bescheid. Jetzt kommen sie und lesen die
    Trümmer auf. Sense/Net. Da verduft ich lieber.«
    Cherry erklärte nuschelnd, daß sie auch abhauten, sie und Slick. Slick zuckte dabei die Achseln, grinste dann und legte ihr den Arm um.
    »Und ich?«
    Molly sah sie an. Zumindest hatte sie den Eindruck. Wissen konnte man es nicht bei der Brille.
    Weiße Zähne blitzten momentan über der Unterlippe auf, dann sagte sie: »Bleib, rat ich dir!
    Sollen die sich mal drum kümmern. Du hast ja eigentlich nichts verbrochen. Nichts von alledem war deine Idee. Schätze, die werden's schon richten, es wenigstens versuchen. Ja, bleib du hier!«
    Mona kapierte gar nichts, aber fühlte sich so tot, so crash-elend, daß sie nichts erwidern konnte.
    Und dann waren sie weg, gingen das Seil runter und waren weg. Einfach so. Wie wenn jemand geht und man ihn nicht wiedersieht. Sie schaute ins Zimmer zurück und sah Gentry vor den Büchern hin und her gehen, wobei er den Finger über die Buchrücken streifen ließ, als suchte er etwas Bestimmtes. Er hatte eine Decke über die Bahre geworfen.
    Also machte sie sich einfach aus dem Staub und erfuhr nie, ob Gentry sein Buch je fand, aber so ist das halt, also kletterte sie jetzt auch das Seil runter, was gar nicht so einfach war, wie es bei Molly

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