Mona Lisa Overdrive
Aleph ab und ging über die Rampe in den Raum, wo der Richter im Halbdunkel
wartete. Der Arm lag noch auf der Plane, wie er ihn hingelegt hatte. Jetzt könnte er ihn nie mehr so hinkriegen, daß die Säge richtig funktionierte. In einem langen, staubigen Metallregal war ein Steuergerät. Er nahm es und schaltete den Richter ein; der braune Panzer fing zu vibrieren an.
Er bewegte den Richter vorwärts, die Rampe hinauf. Die breiten Füße stapften eins-zwei, eins-zwei, die Kreisel kompensierten den fehlenden Arm perfekt. Die Frau hatte die Hecktüren am Hovercraft offen, es war alles bereit, und Slick bewegte den Richter schnurstracks auf sie zu. Sie wich ein bißchen zurück, als sich der Richter über ihr aufbaute; in ihrer Brille spiegelte sich polierter Rost. Slick kam hinterher und studierte, wie er den Richter hineinbekäme. Er sah zwar keinen Sinn darin, aber immerhin schien sie doch zu wissen, was sie tat, und außerdem war alles besser, als hier in der Fabrik rumzu- , hängen, wo lauter Tote herumlagen. Es waren droben zwei Mädchen gewesen, und die hatten beide wie Angela Mitchell ausgesehen. Jetzt war eine davon tot — wie oder warum, wußte er nicht — , und die Frau mit der Knarre hatte der andern gesagt, sie solle warten ...
»Komm schon, komm schon, rein mit dem Scheißding, wir müssen abhauen ...«
Als er es geschafft hatte, den Richter mit gebeugten Beinen seitlich in das Hovercraft zu schaffen, schlug er die Türen zu, rannte herum und stieg auf der Beifahrerseite ein. Das Aleph stand zwischen den Vordersitzen. Cherry auf der Rückbank duckte sich zitternd unter einen großen orangefarbenen Parka mit dem Sense/Net Logo am Ärmel.
Die Frau startete die Turbine und blies das Luftkissen auf. Slick glaubte, sie würden an dem Maschinensockel festsitzen, aber als sie rückwärts anfuhr, riß der einen Streifen Chrom ab, so daß sie frei waren. Sie wendete das Hovercraft und hielt auf das Tor zu.
Auf dem Weg hinaus passierten sie einen Typ in Anzug und Tweed-Mantel, der sie gar nicht zu bemerken schien. »Wer ist'n das?«
Sie zuckte die Achseln.
»Wülste das Hovercraft haben?« fragte sie. Sie waren jetzt vielleicht zehn Kilometer von der Fabrik weg, und er hatte sich nicht umgesehn.
»Hast'n geklaut?«
»Klar.«
»Verzichte.«
»So?«
»Hab gesessen, Autodiebstahl.«
»Und wie geht's deiner Freundin?«
»Schläft. Ist nicht meine Freundin.«
»Nein?«
»Darf ich fragen, wer du bist?«
»Geschäftsfrau.«
»Welche Branche?«
»Schwer zu sagen.«
Der Himmel über Solitude war hell und weiß.
»Biste deshalb gekommen?« Er tippte aufs Aleph.
»Sozusagen.«
»Was jetzt?«
»Hab'n Deal gemacht. Hab Mitchell und die Box.«
»Das war die, die zusammengesackt ist?«
»Ja, das war sie.«
»Aber die ist gestorben ...«
»Es gibt sterben und sterben.«
»Wie bei 3Jane?«
Ihr Kopf bewegte sich, als hätte sie kurz nach ihm geschaut. »Was weißt du davon?«
»Ich hab sie mal gesehn. Da drin.«
»Tja, sie ist immer noch drin, genau wie Angie.«
»Und Bobby?«
»Newmark? Ja.«
»Was willst du denn nun damit tun?«
»Du baust diese Dinger, stimmt's? Den da hinten und die andern?«
Slick schaute über die Schulter zurück zum Richter, der zusammengeklappt im Laderaum des
Hovercraft lag wie eine große, rostige, kopflose Puppe. »Ja.«
»Dann kannste also mit Werkzeug umgehn?«
»Schon.«
»Okay. Ich hab'n Job für dich.« Sie bremste neben einem buckligen, schneebedeckten
Schrottberg und brachte das Hovercraft zum Stehen. »Muß irgendwo ein Bordwerkzeugkasten
sein hier drin. Hol ihn, steig aufs Dach, hol die Solarzellen runter und Leitungsdraht! Klemm die Zellen an, damit sie die Batterie von dem Ding aufladen. Bringst du das fertig?«
»Wohl schon. Warum?«
Sie sank in den Sitz zurück, und Slick sah, daß sie älter war, als er gedacht hatte, und müde.
»Mitchell ist da jetzt drin. Sie wollen, daß sie etwas Zeit hat, das ist alles ...«
»>Sie«
»Was weiß ich? Etwas. Mit dem ich halt den Deal gemacht habe. Wie lange, schätzt du, wird die Batterie halten, wenn die Zellen funktionieren?«
»Paar Monate, 'n Jahr vielleicht.«
»Okay. Ich versteck's irgendwo, so daß die Zellen Sonne kriegen.«
»Was passiert, wenn du einfach den Saft wegnimmst?«
Sie langte hinunter und ließ die Zeigefingerspitze am dünnen Kabel entlanggleiten, das Aleph und Batterie verband. Slick sah ihre Fingernägel im Morgenlicht; sie wirkten künstlich. »Ey, 3Jane«, sagte sie, den
Weitere Kostenlose Bücher