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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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formuliert, nämlich einen Raum dazwischen, den Cyberspace, der
    die Differenz von Leben und Tod aufhebt und damit Ausgänge nach beiden Seiten schafft.
    Solche stilistischen Glanzpunkte tauchen verstreut überall in Gibsons Werk auf und schließen auch das Frauenbild mit ein, das sich auf entsprechende Weise zwischen den Zeilen zurechtrückt.
    Der mögliche Vorwurf, Gibson schreibe Geschichten um kalte Liebe und unentrinnbares Leid in einer vollelektronisierten Welt ohne echte Frauen, verkennt die Tragweite des Problems. Noch stärker als bisher in der Science Fiction ist die Frau bei ihm nur eine Idee. Gemäß den Traditionen der Schwarzen Serie wird sie im Cyberpunk als stereotypes Prinzip begriffen.
    Weiblichkeit ist im Computer verkörpert, in Perfektion im unendlichen Raum des Cyberspace, wo die Aufhebung der Identität mit der Rückkehr in den Zustand des Ungeborenseins
    zusammenfällt, wie ihn David Bowman so eindrucksvoll in Kubricks 2001 präsentiert. Hieraus erklärt sich auch, weshalb jener ominöse Raum, den sich Mensch und Maschine teilen und in den einzutauchen das einzige Ziel von Gibsons Figuren ist, eine Art technische Droge darstellt, wie sie den Computer -Addicts nur zu vertraut sein dürfte.
    In dem bereits erwähnten Gespräch mit Colin Greenland beschreibt Gibson, der Schöpfer des Begriffs Cyberspaces wie er auf dieses Prinzip kam: »Wenn man sich einmal die Körperhaltung der Kids beim Videospielen ansieht, gibt's da eine Feedback-Schleife von Teilchen: Die Photonen treten aus dem Schirm heraus direkt in die Augen des Burschen über, und die
    Neuronen bewegen sich durch seinen Körper, und die Elektronen bewegen sich durch den
    Computer. Auf der Teilchenebene gibt es dieses geschlossene System. Außerdem hatte ich von Gesprächen mit Leuten über Computer her den Verdacht, daß jeder auf irgendeiner Ebene, ohne es je wirklich zu sagen, das Gefühl zu haben schien, daß hinter dem Bildschirm ein Raum war.
    Ich nahm das eben und spann es so weit aus, wie's ging.« Dabei entspricht Gibsons eigene
    Vorgehensweise als Autor diesem Sog, dieser Erschaffung einer Feedback-Schleife: »Ich beginne normalerweise, indem ich mir einen Schauplatz ausmale, und sobald ich den vor meinem geistigen Auge sehe, sobald ich den Schauplatz im Kopf habe, läuft alles andere wie von selbst, falls es überhaupt läuft. Ich bin eigentlich keiner, der die Handlung bewußt konstruiert, und ich glaube, ich könnte gar kein Buch zu Ende bringen, wenn ich genau wüßte, wie es ausgehen wird.« Erstaunlich, daß Gibson ein Wort für seine Besessenheit gefunden hat: >Cyberspace<.
    Gibson bezog seine Metaphern aus dem Umfeld der Computertechnologie, ohne — zur großen
    Verblüffung seiner Leser — je einen Rechner in Aktion gesehen, geschweige denn selbst einen bei der Niederschrift verwendet zu haben. Aus der bloßen Auswertung der Pop-Artefakte und Zivilisationstrümmer gelang es ihm, einen Raum zu erfinden, von dem nun einerseits Gibson erstaunt war zu erfahren, daß es ihn bis dahin nicht gegeben hatte und erst seine Fiktion einen Begriff für den beherrschenden Ausschnitt der Wirklichkeit eines jeden Computerbenutzers geschaffen hatte: den Raum hinter dem Bildschirm.
    Gibsons Augenmerk gilt vor allem der Technikorientiertheit, der sich die Menschen gegenüber sehen. Wie Narziß in den Teich, der sein Abbild nur gebrochen wiedergibt, blicken sie in den Raum hinter dem Monitor und sehen nur ihr eigenes Spiegelbild auf dessen Oberfläche zurückgrinsen. Der Identitätsverlust droht. Dennoch nehmen sie angesichts der Unmöglichkeit eines befriedigenden menschlichen Miteinanders die Möglichkeit eines im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlosen Narzißmus dankbar an. Wenige erkennen die unersättliche Natur der Terminals. Gibson formuliert ihre Furcht vor dem Ersatz von Fleisch durch Chrom, das -wie er im Titel seiner Erzählung von 1981 mitformuliert — eben doch »brennt«. Es ist kaum zu überhören, daß diese Formulierung gleichermaßen Beschwörung wie Hilfeschrei ist. Die Angst vor der totalen Auflösung des Menschen in die reine Maschinenstruktur, seine Computerwerdung und Entpersönlichung, von der gleichzeitig alle Verheißung und Faszination ausgeht, hat die Menschen von heute längst in den Bann jener Technik geschlagen, die sie sich anzueignen einst ausgezogen war. Doch was bleibt, wenn die Gleichung Mensch = Maschine aufgegangen ist? Sie erweist sich als null und nichtig, weil die materielle Komponente des

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