Mona Lisa Overdrive
man sich draufstellen, nahm den Plastiksack neben der Box, bog den Draht auf, mit dem sie verschlossen war, und suchte die gewünschten Kleidungsstücke heraus.
Wenn man aus den Sandalen stieg, um die Hose anzuziehen, wußte man, daß man auf frisches
Fax trat. Für Mona war es ein Dogma, daß in der Zeit, die es dauerte, in die Jeans und danach wieder in die Sandalen zu steigen, nichts über das Fax liefe.
Dann ins Hemd oder sonstwas, sorgfältig den Sack Verschlossen und nichts wie weg. Make-up, wenn nötig, draußen im Korridor. Da war noch so'n Spiegel da neben dem ausrangierten Aufzug, über dem eine Fuji-Bio-fluoreszenzleiste klebte.
Es stank kräftig nach Pisse beim Aufzug heut' morgen, also ließ sie das Schminken lieber aus.
Man sah nie einen Menschen in dem Gebäude, aber hörte zuweilen jemand: Musik hinter
verschlossener Tür oder Tritte, die eben hinter einer Ecke am anderen Ende des Korridors
verhallten. Nun, das war verständlich, denn Mona wollte ihre Nachbarn auch nicht kennenlernen.
Sie ging die drei Treppenläufe hinunter ins gähnende Dunkel der Tiefgarage. Die Taschenlampe in der Hand, fand sie, sechsmal kurz blinkend, den Weg durch abgestandene Pfützen und herabbaumelnde Glasfaseroptik-Leitungen, stieg die Betonstufen hinauf zur Gasse. Man konnte manchmal das Meer riechen in der Gasse, wenn der Wind richtig stand, aber heute roch es nur nach Müll. Die Seite der Penne ragte hoch über ihr auf, also sputete sie sich, bevor es irgendeinem Arsch einfiele, eine Flasche oder Schlimmres herunterzuwerfen. Sobald sie draußen auf der Avenue war, verlangsamte sie ihr Tempo, aber nicht allzusehr; immerzu mußte sie an das Bargeld in der Tasche denken, und sie war voller Pläne, wie sie es ausgeben wollte. Bloß nicht ausgenommen werden, jetzt wo's so aussah, als hätte Eddy ihnen eine Freifahrkarte herausgeschunden. Sie redete sich abwechselnd ein, daß es eine bombensichere Sache war, daß sie praktisch schon verduftet waren, und daß sie nicht zuviel erwarten durfte. Sie kannte Eddys bombensichere Sachen<: war nicht Florida auch eine gewesen? Wie warm es in Florida wäre und wie super die Strande und wie viele tolle Kerls mit Geld, genau der richtige Fleck für einen kleinen Arbeitsurlaub, der sich nun schon zum längsten Monat erstreckte, an den Mona sich erinnern konnte. Nun, es war verdammt heiß in Florida, wie in einer Sauna. Die einzigen Strände, die nicht Privatbesitz waren, waren verdreckt und verpestet, so daß die toten Fische hüfttief im seichten Wasser trieben. Vielleicht war es an den Privatstränden nicht anders, aber die kriegte man nicht zu sehen. Nur die Absperrketten und die Wachmänner in Shorts und Bullenhemd davor. Eddy war immer ganz angetan von den Waffen der Wachmänner und beschrieb eine jede
in öden Details. Selber hatte er allerdings keine Kanone, soweit Mona wußte, und das war gut so, wie sie fand. Manchmal konnte man nicht mal die toten Fische riechen, denn da war ein anderer Gestank, ein Chlorgeruch, der auf dem Gaumen brannte und von den Fabriken entlang der Küste stammte. Wenn es tolle Kerls gab, so waren's dennoch Freier, die hier auch nicht unbedingt das Doppelte löhnten.
Das vielleicht einzig Liebenswerte an Florida waren die Drogen, die leicht erhältlich und billig waren und meist Industriequalität hatten. Manchmal stellte sie sich vor, der Bleichgestank käme aus Millionen von Drogenküchen, wo ein sagenhafter Cocktail gebraut wurde, wo die vielen Moleküle mit ihren irren Schwänzchen wedelten und geil auf ihren Einsatz und die Straße waren.
Sie bog von der Avenue ab und ging durch eine Reihe von lizenzlosen Imbißständen. Ihr Magen fing zu knurren an bei dem Duft, aber sie traute dem Gossenfraß nicht, wenn's nicht sein mußte, und es gab lizenzierte Läden, die Bares nahmen. Jemand spielte Trompete auf dem asphaltierten ehemaligen Parkplatz, ein improvisiertes kubanisches Solo, das verzerrt von den Betonwänden widerhallte und im Geklapper des morgendlichen Marktes unterging. Ein Bierkistenevangelist warf die Arme empor in einer Pose, die ein bleicher, struppiger Jesus in der Luft nachmachte.
Der Projektor steckte in der Kiste, auf der er stand, aber er hatte eine alte Nylontrage auf dem Buckel mit zwei Lautsprechern dran, die ihm jeweils über die Schulter lugten wie Totenköpfe aus blankem Chrom. Der Evangelist sah stirnrunzelnd zu Jesus auf und stellte etwas ein an seinem Hosengürtel. Jesus blitzte auf, lief grün an und verschwand. Mona
Weitere Kostenlose Bücher