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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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klang kehlig vor nervöser Angespanntheit.
    »Nein«, sagte sie, »aber bleib bei diesem Tonfall, der gefällt mir!«
    Sie ging ins Wohnzimmer, wobei sie leise zählte. Zwölf, dreizehn ...
    »Angela«, sagte das Haus behutsam, »ich habe einen Anruf von Hilton Swift...«
    »Auf Vorrangschaltung«, sagte Swift.
    Sie prustete.
    »Du weißt, ich respektiere deinen Wunsch, allein zu sein, aber ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Mir geht's gut, Hilton. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Tschau.«
    »Du bist heut' morgen hingefallen auf dem Strand. Hast desorientiert gewirkt. Hast geblutet an der Nase.«
    »Nasenbluten.«
    »Wir wollen dich noch mal ärztlich ...«
    »Toll.«
    »Du bist heute in die Matrix gegangen, Angie. Wir haben dich im Industriesektor der BAMA*
    lokalisiert.«
    »Das war's also?«
    »Möchtest du was dazu sagen?«
    »Da gibt's nichts zu sagen. Hab nur'n bißchen rumgemacht. Interessiert es dich trotzdem? Ich hab noch Zeug von Bobby eingepackt, das er hiergelassen hat. Das kann dir doch nur recht sein, Hilton! Dabei fand ich ein Deck von ihm und probierte es aus. Drückte eine Taste, schaute mich um, steckte aus.«
    »Entschuldige, Angie.«
    »Wofür?«
    »Die Störung. Ich verschwinde wieder.«
    »Hilton, weißt du, wo Bobby ist?«
    »Nein.«
    »Willst du mir sagen, er wird nicht vom Net-Sicherheitsdienst beobachtet?«
    »Ich will nur sagen, daß ich es nicht weiß, Angie. Ehrlich.«
    »Könntest du's rauskriegen, wenn du wolltest?«
    Wieder Pause. »Weiß nicht. Weiß auch nicht, ob ich's täte, wenn ich's könnte.« »Danke. Tschau, Hilton.« »Tschau, Angie.«
    Sie saß auf der Terrasse in jener Nacht und beobachtete den Reigen der Flöhe im Flutlichtsand.
    Dachte an Brigitte und ihre Warnung, an die Droge in ihrem Anorak und den Derm-Applikator im Arznei schrank. Dachte an Cyberspace und die
    *BAMA: Boston-Atlanta-Metropolen-Achse, das Sprawl (= weit auseinandergezogenes, unregelmäßig ausgebreitetes Ballungsgebiet). — $QP G hEHUV
    traurige Begrenztheit, die ihr der Ono-Sendai vermittelt hatte — ein himmelweiter Unterschied zur Freiheit des Loa ...
    Dachte an jemand anderes Träume, an ineinander verschlungene Korridore, die gedeckten Farben uralter Teppiche ... An einen alten Mann, einen juwelenbesetzten Kopf, ein angespanntes, blasses Gesicht mit Spiegeln als Augen ... Und an einen Strand, einen windigen, dunklen.
    Nicht dieser Strand, nicht Malibu.
    Und irgendwo in der Finsternis eines jungen kalifornischen Tages, in der Stunde vor
    Sonnenaufgang, in den Korridoren, den Galerien, den Traumgesichtern, den halb vergessenen Gesprächsfetzen, stöberte sie etwas auf und hievte es durch die Wand des Schlafes herauf, während sie zum grauen Nebel vor den Fenstern des Hauptschlafzimmers erwachte.
    Sie rollte sich herum, kramte in einer Nachttischschublade, fand einen Porsche-Stift, ein Geschenk von einem Kulissenschieber, und bannte ihren Schatz auf die hochglänzende Rückseite eines italienischen Modemagazins.
    »Ruf Continuity an«, sagte sie zum Haus bei ihrer dritten Tasse Kaffee.
    »Hallo, Angie«, sagte Continuity.
    »Diese Reihe im Orbit, die wir vor zwei Jahren gemacht haben. Belgische Jacht...« Sie trank den nicht mehr ganz heißen Kaffee. »Wie hieß das, wo er mich hinbringen wollte? Der Platz, der Robin zu schäbig war?«
    »Freeside«, gab das Expert System Auskunft.
    »Wer hat dort gedreht?«
    »Tally Isham hat neun Folgen in Freeside aufgenommen.«
    »Und es war für sie nicht zu schäbig?«
    »Das war vor fünfzehn Jahren. War groß in Mode.«
    »Besorg mir die Folgen!«
    »Schon erledigt.«
    »Tschüß.«
    »Tschüß, Angie.«
    Continuity schrieb einen Roman. Robin Lanier hatte ihr davon erzählt. Sie hatte gefragt, wovon er handle. So könne man das nicht sagen, meinte er. Er bewege sich zum Ausgangspunkt zurück und mutiere andauernd; Continuity schreibe VWlQGLJ daran. Warum, wollte sie wissen. Aber schon hatte Robin das Interesse daran verloren. Continuity war ein KI*, und KIs taten so was nun mal.
    Ihr Anruf bei Continuity kostete sie einen Anruf von Swift.
    »Angie, wegen der ärztlichen ...«
    »Hast du dafür noch keinen Termin gemacht? Ich will wieder arbeiten. Ich habe heute morgen Continuity angerufen. Ich plane eine Reihe im Orbit. Geh ein paar Sachen durch, die Tally gemacht hat. Bringt mich vielleicht auf Ideen.«
    Schweigen. Sie hätte am liebsten gelacht. Es war nicht leicht, Swift sprachlos zu machen. »Ist das dein Ernst, Angie? Das ist ja wunderbar, aber

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