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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Jetzt löffelte sie eine Tasse selbstgemachter Suppe aus und dachte stirnrunzelnd an die Klinik zurück.
    Robert Brown: entdeckte die nach ihm benannte passive Bewegung mikroskopischer Teilchen in Flüssigkeiten oder Gasen. — $QP G hEHUV
    Die Behandlung hatte sie nach einer Woche abgebrochen. Die Weißkittel protestierten. Die
    Entgiftung sei wunderbar gelaufen, sagten sie, aber die Therapie habe noch nicht begonnen. Sie nannten die Rückfallquote von Patienten, die das Programm abbrachen. Sie erklärten, daß ihre Versicherung hinfällig wäre, wenn sie die Behandlung beendete. Sense/Net würde schon zahlen, sagte sie, falls es ihnen nicht lieber wäre, sie würde selber zahlen. Sie zückte ihren MitsuBank Platinchip.
    Ihr Lear kam eine Stunde später an; sie sagte ihm, er solle sie nach LAX bringen, dort einen Wagen bereitstellen und keine hereinkommenden Gespräche annehmen.
    »Tut mir leid, Angela«, sagte der Jet, der gerade Montego Bay überflog, Sekunden nach dem Start, »aber ich habe Hilton Swift auf Vorrangschaltung.«
    »Angie«, sagte Swift, »du weißt, daß ich voll hinter dir stehe. Das weißt du doch, Angie.«
    Sie wandte sich um und starrte auf das schwarze Lautsprecheroval; es war in glattes graues Plastik eingelassen, und sie stellte sich vor, wie er da drin hockte und die langen Läuferbeine schmerzhaft grotesk einzog hinter den Spant des Lear.
    »Das weiß ich, Hilton«, sagte sie. »Nett von dir, daß du anrufst.«
    »Du fliegst nach L.A., Angie?«
    »Ja, das hab ich dem Flieger gesagt.«
    »Nach Malibu?«
    »Genau.«
    »Piper Hill ist auf dem Weg zum Flughafen.«
    »Danke, Hilton, aber ich will keine Piper Hill dort sehn. Ich will niemand sehn. Ich will'n Auto.«
    »Es ist niemand im Haus, Angie.«
    »Prima. Das will ich ja gerade, Hilton. Niemand im Haus. Leeres Haus.«
    »Ist das auch wirklich eine gute Idee?«
    »Die beste, die ich seit langem hatte, Hilton.«
    Pause. »Sie sagten, lief echt gut, Angie, die Behandlung. Aber du hättest noch bleiben sollen.«
    »Ich brauch 'ne Woche Zeit«, sagte sie. »Eine Woche. Sieben Tage. Für mich allein.«
    Nach der dritten Nacht im Haus wurde sie bei Morgengrauen wach, machte Kaffee, zog sich an.
    Das breite Fenster zur Terrasse war beschlagen. Sie hatte schlecht geschlafen; falls sie geträumt hatte, so wußte sie's nicht mehr. Trotzdem war da was — was Anregendes, geradezu Schwindelerregendes. Sie stand in der Küche, spürte den kalten Fliesenboden durch die dicken Tennissocken und legte die Hände um die warme Tasse.
    Da war was. Sie streckte die Arme, erhob in einer instinktiven und zugleich ironischen Geste die Kaffeetasse wie einen Kelch.
    Es war schon drei Jahre her, daß sie von Loa geritten wurde, drei Jahre, daß sie überhaupt Kontakt damit hatte. Aber nun?
    Legba? Einer der andern?
    Das Gefühl von einer Gegenwart legte sich urplötzlich. Sie stellte die Tasse viel zu ungestüm auf der Theke ab, so daß ihr Kaffee über die Hand schwappte, und lief nach Schuhen und einer Jacke. Grüne Gummistiefel aus dem Schrank mit den Strandsachen, ein dicker blauer
    Bergsteiger-Anorak, den sie nicht kannte und der zu groß für Bobby gewesen wäre. Sie stürzte aus dem Haus, die Stufen hinunter, kümmerte sich nicht um das Propellergeräusch des Spielzeugdornier, der hinter ihr mit der Ausdauer einer Libelle aufstieg. Sie sah kurz nach Norden, entlang der verschachtelten Strandhauszeile mit ihrem Dächergewirr, die sie an ein Barrio* von Rio erinnerte, und wandte sich dann südwärts zur Kolonie.
    Es kam eine gewisse Mamman Brigitte oder Grande Brigitte, die bald als Gemahlin von Baron Samedi gilt, bald »Älteste
    * Barrio: (span.) Viertel, Stadtbezirk. — $QP G hEHUV
    der Toten« genannt wird.
    Die Traumarchitektur der Kolonie ragte zu Angies Linker auf, eine Orgie aus Form und Ego.
    Zerbrechlich wirkende, neonbesetzte Repliken der Watts Towers erhoben sich neben den
    Bunkern der Neo-Brutalisten mit ihren bronzenen Flachrelief-Fronten.
    Spiegelwände, die beim Vorbeigehen die morgendlichen Wolkenbänke über dem Pazifik
    reflektierten.
    Es hatte Zeiten gegeben in den letzten drei Jahren, wo sie sich kurz davor wähnte, (wieder) eine Linie zu überschreiten, eine unterschwellige Glaubensgrenze, nur um festzustellen, daß ihre Zeit mit den Loa ein Traum gewesen war oder höchstens ansteckende Knoten kultureller Resonanz, die ihr von den Wochen bei Beauvoir in New Jersey geblieben waren. Mit andern Augen sehn: keine Götter, keine Reiter.
    Sie

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