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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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würden nichts zu tun haben wollen mit ihr. Hat ihr mordsmäßig was gebracht. Sie haben sich ausgeblendet, wurden schwammig, verschwommen. Man kann sie zuweilen noch rufen, herkriegen, aber ihre Persönlichkeiten kommen als eins daher...«
    »Das haut hin«, sagte Gentry. »Sie sind hervorgegangen aus der ersten Ursache, der Wende. Das hast du schon kapiert. Aber du weißt noch nicht, was passiert ist, oder?«
    »Nein. Ich weiß nur, wo. Straylight. Das hat sie mir alles erzählt, alles, was sie weiß, meine ich.
    Ist ihr ziemlich egal. Ihre Mutter bastelte schon recht früh ein paar KIs zusammen, schwere Kaliber. Dann starb die Mutter, und die KIs wucherten in den Datenbanken der Multis droben dahin. Ein KI fing an, eigenmächtig Geschäfte abzuwickeln. Wollte sich mit dem andern zusammentun ...«
    »Tat es auch. Das ist Ursache Nummer eins. Damit wurde alles anders.«
    »So einfach ist das? Woher weißt du das?«
    »Weil«, sagte Gentry, »ich es unter einem andern Gesichtspunkt angegangen bin. Du hast
    Ursache und Wirkung untersucht, aber ich habe den Umfang abgesteckt, nach der jeweils
    aktuellen Form gesucht. Du hast dich in der gesamten Matrix umgeschaut, aber ich habe die Matrix insgesamt angeschaut, das komplette Ding. Ich weiß, was du nicht weißt.«
    Bobby gab keine Antwort. Slick wandte sich vom Fenster ab und sah das Mädchen, das gleiche Mädchen im Zimmer stehen. Stand nur da.
    »Es waren nicht nur die KIs von Tessier-Ashpool«, sagte Gentry. »Leute kamen den Schacht
    hoch, um die Banken von T-A zu knacken. Sie brachten einen chinesischen militärischen
    Eisbrecher mit.«
    »Case«, sagte Bobby. »Ein gewisser Case. Kenn die Geschichte. Eine Art Synergie-Effekt...«
    Slick betrachtete das Mädchen.
    »Und die Summe war größer als die Teile?« Gentry schien das echt Spaß zu machen.
    »Kybernetische Gottheit? Geist über den Wassern?«
    »Ja«, sagte Bobby, »das wird's sein.«
    »Ein bißchen komplizierter ist's schon«, erklärte Gentry und lachte.
    Und das Mädchen war weg.
    Ohne Klicken.
    Slick schauderte.
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    Es wurde dunkel, während im Untergrund der frühabendliche Stoßverkehr seinen Höhepunkt
    erreichte, obwohl auch das nicht zu vergleichen war mit Tokyos Shiroshi-shan-Gedränge, wo sich noch ein paar letzte Passagiere hineinquetschten beim Türenschließen. Kumiko beobachtete den lachsroten Dunstschleier der untergehenden Sonne von einem zugigen Bahnsteig der Central Line. Colin lehnte an einem kaputten Automaten mit einer Reihe gesprungener, staubiger Scheiben. »Es wird Zeit«, sagte er. »Und halt den Kopf brav gesenkt durch Bond Street und Oxford Circus!«
    »Aber ich muß zahlen, wenn ich durch die Absperrung will?«
    »Nicht wirklich DOOH zahlen«, sagte er und warf die Stirnlocke zurück.
    Sie ging zur Treppe und brauchte jetzt nicht mehr seinen Rat, um den Weg zum
    gegenüberliegenden Bahnsteig zu finden. Ihre Füße waren wieder eiskalt, und sie dachte an die schaffellgefütterten Winterstiefel made in Germany, die sie im Kabäuschen ihres Zimmers bei Swain stehen hatte. Sie hatte die Kombination aus Gummisocken und hochhackigen französischen Stiefeln gewählt, damit Dick nicht auf die Idee käme, daß sie abhauen wollte, aber bereute jetzt den Entschluß, als beißende Kälte durch die dünnen Sohlen drang.
    Im Tunnel zum andern Bahnsteig ließ sie das Gerät los, und Colin verblaßte flimmernd. Die weißen Keramikfliesen waren nicht mehr die neuesten und mit einem grünen Zierstreifen abgesetzt. Sie nahm die Hand aus der Tasche, strich mit den Fingern an den grünen Fliesen entlang beim Gehen und dachte an Sally und den Finnen und die verschiedenen Gerüche im winterlichen Sprawl, als der erste Dracula gewandt vor sie trat und sie im nächsten Moment von vier schwarzen Regenmänteln, vier hageren, bleichen Gesichtern umzingelt war. »Ey«, sagte der erste, »isse nich hübsch.«
    Sie standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, Kumiko und der Dracula; er roch nach Tabak aus dem Mund. Die abendliche Menge, meist in dunkler Wollvermummung, wälzte sich ringsum weiter.
    »Ui«, sagte einer neben ihr, »guck, was is'n das?« Er hielt das Maas-Neotek hoch im rissigen schwarzen Handschuh. »Feuerzeug, hm? Zaretten auch, Japse?« Kumikos Hand fuhr in die Tasche, schoß durch den Rasierklingenschlitz und faßte in die Luft. Der Knabe grinste.
    »Zaretten in der Handtasche«, sagte ein anderer. »Hilf ihr doch, Reg!« Eine Hand schoß vor und durchtrennte das Lederband

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